Dienstag, 25.06.2019                                                                     der siebente Tag

Nach einer ziemlich unruhigen Nacht stehe ich um 6:30 auf, frühstücke (Müsli mit Apfel und Jogurt), packe meine Sachen und wäre fast noch vor 9:00 vom Platz gefahren. Hätte ich nur nicht mit der interessierten Nachbarin ein ausgedehntes Pläuschchen gehalten :) So ist es 9:30 als ich die Schranke passiere und den Campingplatz verlasse. Ich werde den Tag trotzdem in Ruhe angehen. Noch sind es gerade mal 28°C. Noch denke ich, heute wird es kühler :))

Schon bald passiere ich die Grenze nach Polen. 1:30 später mache ich vor einem Supermarkt die erste Pause. Ich brauche dringend etwas zu trinken. Es sind 34°C! Sorgsam schließe ich den Helm mit dem Bügelschloss an den Lenker. Dass ich meine Gopro am Helm lasse, fällt mir leider nicht auf. Und das in Polen! ;)

Im Supermarkt nehme ich eine Flasche Wasser und ein Brötchen. 3,38 Zloty zeigt die Kasse. Das ist nicht mal 1 Euro. Verschämt und mit einem zögerlichen "djien dobre" (das soll "guten Tag" heißen) halte ich der Kassiererin meine nagelneue VISA-Card hin. Ich habe natürlich noch kein Geld getauscht. Sie lächelt und schiebt mir völlig selbstverständlich das Bezahlterminal rüber. So einfach geht das?

Zurück am Motorrad: der Helm ist noch da. Die Gopro auch :) Genau wie die Handschuhe und die Motorradjacke. Beides hatte ich einfach auf der Sitzbank liegen lassen. Und das in Polen :)

Weiter geht es nach Swidnica (Schweidnitz). Dort steht die evangelische Friedenskirche. Ich parke vor dem dazugehörenden Cafe'. Ich muss aus den Klamotten raus! Diesmal kommt nicht nur das Navi, sondern auch die Gopro in den Koffer. Der Helm wird ordnungsgemäß an den Lenker geschlossen. Ich ziehe Jacke, Hose, Stiefel und Strümpfe aus und eine leichte Sommerhose und Sandalen an. Was mache ich mit den Motorradsachen? Ach, die bleiben einfach am Bike. "Und wenn jemand die sauteure Motorradhose klaut?", schreibt Gabi im Messenger. Ja, ja. Und das Bremsenschloss und das dicke Kettenschloss habe ich auch nicht benutzt. Noch ahne ich nicht, wie fahrlässig ich bin. Jetzt habe ich erstmal Hunger! Im Cafe' bestelle ich einen gegrillten Tofu mit Grünkohl (ist wohl eher Ruccola) und Aroniamus; was immer das ist!?

Ich gehe mit Maddin zur Kirche. Ein imposanter Bau. Vor allem, wenn ich bedenke, unter welchen Voraussetzungen er geschaffen wurde (siehe rechts). Wir machen Fotos und Filmchen von außen und innen, und lauschen dem russischem Vortrag, der über Lautsprecher durch die Kirche tönt. Ich verstehe natürlich kein Wort und Maddin weigert sich zu übersetzen (er will nur nicht zugeben, dass er auch kein Russisch kann).

Als ich zum Motorrad zurückkomme, stelle ich fest: die Polen geben sich echt keine Mühe, ihrem Klischee gerecht zu werden. Nicht nur, dass aber auch gar nichts von dem fehlt, was ich beim Motorrad zurückgelassen hatte. Beim Umziehen fällt mir auf, dass sogar der Zündschlüssel in der Tasche der Motorradhose steckte. Jede*r hätte einfach damit wegfahren können! Aber: nix passiert :). Alles Quatsch mit den Klischees!

Es ist immer noch so unerträglich heiß, dass ich beschließe, nicht durch Breslau zu fahren, sondern ein Stück der Strecke über die Autobahn abzukürzen. Irgendwann muss ich aber tanken und verlasse die Autobahn. Ich lasse das Navi eine Tankstelle suchen. Das schickt mich auf eine schmale Straße. Der Asphalt ist mal total löchrig, mal kaum noch vorhanden. Dann geht der Straßenbelag in Tiefsand über. Ich wollte doch erst in den drei Tagen ein Stück Offroad fahren! Hilfe!!! Das hier war nicht geplant! Mit Mühe halte ich die Fuhre aufrecht. Hoffentlich kommt bald wieder fester Boden. Umdrehen? Das ganze Stück zurück? Im Leben nicht! Das Navi zeigt eine Abzweigung in 500m an. Da wird es bestimmt besser. Wird es nicht! Nun soll ich in einen Waldweg einbiegen, der kaum breiter ist als das Motorrad und nicht weniger sandig als der Weg hinter mir. Ich streike. Ich kehre um :(  Was wiederum zu mehreren Beinahe-Stürzen führt. Dann endlich finde ich einen anderen Weg zu einer Tankstelle. Juchhu!!!!

Jetzt noch schnell einkaufen. Diesmal bleibt alles völlig unverschlossen am Motorrad zurück. Okay, den Zündschlüssel nehme ich dann doch mal mit.

Am Campingplatz werde ich freundlich empfangen. Die riesige Wiese, auf der mein Zelt steht, teile ich mit lediglich sechs Wohnmobilen.

Es beginnt das übliche Prozedere bis zur "Guten Nacht!"

Dem Maddin sein Spruch des Tages:

"Wer nichts zu reiten hat, der mag gehen."

Groß Dübel - Twardogora                        300km

Ausgaben

Treibstoff                                                                 €18,72

Snack & Wasser       zt3,88                                 €0,95

Mittagessen               zt25,-                                  €5,94

Treibstoff                    zt81,58                               €20,21

Abendessen               zt8,74                                 €2,08

Camping                     zt35,-                                   €8,31

 

Gesamt des Tages:                                               €56,21

 

Gesamt der Reise:                                                €223,75

Die Reformation in Polen

Schon 1540 geht es hier los mit den reformatori-schen Umtrieben: Johannes a Lasko - in Ostfriesland ist der Name ein Begriff - bricht als erster polnischer Priester den Zölibat und heiratet seine Barbara. Sein Name leitet sich übrigens von seinem Geburtsort ab. Lask liegt im Süden Polens. Aber dort gibt es nichts mehr, was auf ihn hinweisen würde.

1553 erscheint ein Neues Testament in polnischer Sprache, 1561 erscheint die "Confessio Augustana" (das Glaubensbekenntnis) auf polnisch, 1563 die ganze Bibel.

1570: die Calvinisten, Lutheraner und böhmischen Brüder bilden eine Konförderation.

1573 erreichen die Protestanten eine Mehrheit im polnischen Parlament und erwirken die Aufhebung der kirchlichen Zensur und kirchlicher Gerichte. Es folgt ein Gesetz zur Konfessionsfreiheit.

1575 - 1632 folgt die Zeit der Gegenreformation. Es hat nicht sollen sein. Die Religionsfreiheit wird aufgehoben. Der Protestantismus überlebt - trotz Verfolgung.

1656: im "westfälischen Frieden" wird erreicht, dass die Protestanten wieder Kirchen bauen dürfen. Allerdings unter erschwerten Bedingungen (siehe unten). Die Friedenskirche in Schweidnitz (siehe unten) ist eine der in dieser Zeit gebauten Kirchen.

1718 werden die Erleichterungen für die Protestanten übrigens schon wieder zurückgenommen.

1888: Das Land braucht Bauern und Handwerker. Die kommen vorwiegend aus Deutschland und so kommen auch die Lutheraner wieder zum Zuge. Aber nicht lange. Nach 1945 werden sie vertrieben.

Heute hat die Evangelisch-Augsburgische Kirche Polen etwa 62.000 Mitglieder (bei ca. 37 Mill. Einwohnern). Etwa 90% der Bevölkerung gehören der katholischen Kirche an.

Die Friedenskirche in Schweidnitz

 Nach dem 30jährigen Krieg gab Kaiser Ferdinand III. sein Einverständnis zum Bau dreier Friedenskirchen in Glogau, Jauer und Schweidnitz. Dafür gab es strenge Auflagen:

die Kirchen mussten außerhalb der Stadtmauern stehen, durften weder Turm noch Glocken haben und als Baumaterial durfte nur Holz, Sand, Stroh und Lehm verwendet werden. Auch musste das gesamte Bauvorhaben innerhalb von 12 Monaten erledigt sein.  1656 erteilen die Schweidnitzer Protestanten dem Breslauer Baumeister Albrecht von Säbisch und dem Zimmermann Andreas Gamper den Auftrag zum Bau der Kirche. Am 23. August wird der Grundstein gelegt und am 26. Juni 1657 wird der erste Gottesdienst in der neuen Kirche gefeiert, die auf dem Grundriss einer Kreuzbasilika aufbaut und Platz für 7500 Menschen bietet, 3000 davon mit Sitzplatz!

 

Der heutige Altar stammt von 1752, gebaut von Gottfried August Hoffmann und Zimmermann Grunwald, gespendet von dem schwedischen Töpfermeister Peter Pauliander. Die Verzierungen am Altar vollendete 1753 der Schweidnitzer Maler Johann Caspar Kolewe.

 

Die Kanzel, früher hieß sie "Predigtstuhl", wurde vom Papiermüller Konrad Riediger gestiftet. Gebaut hat sie 1728 G. A. Hoffmann, nachdem die erste Kanzel schon vor 1660 ersetzt werden musste. Die Balustrade der Kanzel umrahmen drei Skulpturen, die Glaube, Hoffnung und Liebe symbolisieren.

 

Die Orgel wurde 1666 bis 1669 von dem Orgelbauer Gottfried Klose erbaut und ist im Laufe der Zeit mehrfach verändert worden.

 

Über dem Haupteingang befindet sich die Loge der Familie Hohberg. Sie wurde 1698 zu Ehren der Familie errichtet. Graf Johann Heinrich von Hohberg hatte zwei Drittel des Holzes für den Bau der Kirche gespendet.

 

Von Christian Süßenbach und Christian Kolitschky stammen die Deckengemälde. Das größte Gemälde in der Mitte der Kirche stellt die Dreifaltigkeit dar. Die anderen Gemälde beziehen sich auf das Buch der Offenbarung im Neuen Testament.

 

In 50m Entfernung zur Kirche steht der Glockenturm. Er wurde 1708 errichtet.

 

Seit 1992 wird die Kirche mit Hilfe vieler Unterstützer restauriert. 110 Gemeindeglieder können das nicht alleine stemmen. Am 03.12.2001 wurde die Friedenskirche in die Liste der Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.