donnerstag, 04.07.2019                                                     der sechzehnte tag

Der Wecker braucht nicht zu klingeln. Ich bin wach! Habe schlecht geschlafen. Nicht nur wegen der Aufregung. Vor allem, weil einer meiner lieben Zimmergenossen geschnarcht hat. Es ist 5:20 als ich aufstehe. Möglichst leise trage ich meine Sachen aus dem Zimmer vor die Tür. Dann ziehe ich ganz leise die Zimmertür zu .... aaah, die Schuhe und die Hose liegen noch im Zimmer. Und in der Hosentasche steckt natürlich der Zimmerschlüssel. Der junge Mann an der Rezeption geht tatsächlich, wenn auch mit wenig Begeisterung, mit mir zum Zimmer um zu schauen, ob ich tatsächlich meine Sachen dort liegen habe und mir nicht nur Zutritt zu einem fremden Zimmer erschleichen will. Ganz schön vorsichtig. Oder sehe ich so verwegen aus? Hab noch nicht in den Spiegel geschaut :)

Das Motorrad ist schnell gepackt, der Fähranleger nicht weit entfernt. Einchecken, nach vorne, Line 5; da stehen schon zwei Finnen mit ihren Harleys. Wir unterhalten uns ein wenig. Ich glaube, Finnen sind ungefähr so gesprächig wie Ostfriesen. Passt. :)) Ich freue mich schon auf mein Frühstück. Das habe ich extra mit gebucht, damit ich nicht noch früher aufstehen muss. Nicht gerade billig, aber das Essen auf der Fähre ist ja meist richtig üppig. Denke ich noch als ich auf die Fähre fahre, die mich gleich nach Helsinki und zu meiner lieben Gabi bringt.

Kaffee, Tee, eine Sorte Käse,Kochschinken, Honig, Aufbackbrötchen und eine Sorte Brot. Das war's. Ach ja, und Chips, Kekse und Weingummi. Das war sein Geld echt nicht wert!

Zwei Stunden dauert die Überfahrt. Gabi ist auch schon in den Startlöchern. Sie wird ihren Hafen in Helsinki etwas früher erreichen als ich meinen. Zwischendurch schicken wir uns Fotos von Wasser und geparkten Motorrädern.

Da wir ja in zwei verschiedenen Häfen ankommen, haben wir einen Treffpunkt am Rande des Zentrums von Helsinki vereinbart. Gerade habe ich Gabi geschrieben, dass heute noch gar nichts schiefgegangen ist. Jetzt fahre ich von der Fähre ... und prompt hängt sich mein Navi auf. Bis ich es merke, bin ich natürlich längst in der falschen Richtung unterwegs. Genervt halte ich am Straßenrand. Das Navi weigert sich beharrlich, seinen Dienst wieder aufzunehmen. Es lässt sich nicht mal ausschalten und neu starten. Absolut nichts geht mehr. Ich bin mal wieder froh, dass mich niemand hier schimpfen hört. Gut, dass ich auch auf meinem Smartphone einen Routenplaner habe. Längst nicht so komfortabel und übersichtlich, aber wenigstens funktionstüchtig!

Gabi wartet schon und wir fallen uns freudig in die Arme als ich dann doch endlich den vereinbarten Treffpunkt erreiche. Auf geht's in die Innenstadt. Gabi liebt ja das Fahren in großen Städten ;) Wir suchen einen Parkplatz, von dem aus wir einige Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen können. Ein Supermarktparkplatz scheint uns geeignet. Zwei Stunden wollen wir uns Zeit nehmen. Aber was ist das? Der Parkplatz hier kostet Geld!? 7,20 Euro die Stunde. Das wären für uns insgesamt 28,80!!!! Ja, spinnen die? Ich werde mich jedenfalls nie wieder über die Parkgebühren in Aurich beschweren. Wir entscheiden uns, direkt zur Felsenkirche zu fahren. Und siehe da: hier kostet das Ticket nur 4,- Euro pro Stunde und Motorrad. Mehr werden wir nun von Helsinki doch nicht viel zu Gesicht bekommen, aber wenigstens die Felsenkirche will ich Gabi zeigen, die ich 1979, als ich mit meinem Volleyballverein hier war, so beeindruckend fand.

Die drei Euro Eintritt schocken mich jetzt auch nicht mehr. Umso mehr die 80 Asiaten und 20 anderen Weltenbürger, die da auch rein wollen. Das Gemurmel nimmt der Kirche die Atmosphäre. An Stille ist hier nicht zu denken. Ein Pianist spielt zur Beruhigung Klavier, was genauso sein Ziel verfehlt wie die Schilder, die das Fotografieren eben dieses Pianisten verbieten. Außer mir hält sich wohl niemand daran.

Gabi und ich bleiben bei unserem Entschluss, Helsinki nun zu verlassen. Gestern hat mir noch ein Münsteraner von seinen schlechten Erinnerungen an diese Stadt erzählt. Regen und 120 Euro Parkgebühren in vier Tagen. Und in meinem Gedächtnis waren so viele positive Eindrücke!?

An einem Supermarkt (ohne Parkgebühren) machen wir eine kurze Pause um etwas zu essen. Eine zweite Pause neunzig Minuten später nutzen wir für den Einkauf des Abendessens. Mit einer Flasche Wein würden wir gerne unser Wiedersehen feiern. Aber wir sind in Skandinavien. Hier gibt es "richtigen" Alkohol nur in eigens dafür bestimmten Läden. Die sind selten und schließen meist um 17:00. So muss eine Art Sangria mit ganzen 4% Alkohol herhalten. Wir hätten es lassen sollen.

Der Empfang auf dem Campingplatz in Sysmä ist freundlich. Wir können uns einen Platz aussuchen, bauen das Zelt auf und nutzen die gemütliche Gemeinschaftsküche zum Kochen und Essen. 

Nur ein weiteres Paar nutzt außer uns den Raum. Sie sitzen am Nebentisch während wir gemütlich essen und uns unterhalten. Der Sprache nach zu urteilen sind es Finnen. Und ich weiß nicht, was für einen Eindruck wir auf sie machen, aber als die beiden aufstehen um zu gehen, kommt die Frau zu uns und umarmt erst Gabi und dann mich. Irgendwas hat sie sichtlich angerührt. Sie lassen uns etwas irritiert zurück. Nachdem wir unsere Fassung wiedergewonnen haben ;) lassen wir den Abend gemütlich ausklingen - an dieser Stelle schweigt der Gentleman ;)

Dem Maddin sein Spruch des Tages:

"Wenn ich noch einmal freien sollte, so wollte ich mir ein gehorsam Weib aus einem Stein hauen."

Tallin Sysmä                         190km (+Fähre)

Ausgaben:

(Torsten)

Fähre                                                 €65,-

Tanken                                              €20,73

Eintritt                                               €6,-

Parken                                               €4,-

Camping                                           €14,-

 

(Gabi)

Lebensmittel                                  €21,51

 

Gesamt des Tages:                       €131,24

 

Gesamt der Reise:                        €1310,63

Die Reformation in Finnland

1527 wird die Reformation auch hier politisch erzwungen. Bekanntester Theologe ist Mikael Agricola, ein 1509 in Torsby geborener Bauernsohn. 1531 wird er zum Priester geweiht. 1536 geht er an die Universität Wittenberg und legt dort 1539 seine Magisterprüfung ab. Zurück in Turku wird er Mitglied im Domkapitel, 1548 Rektor der Lateinschule und 1554 Bischof von Turku.

Durch seine Schriften wird er zum Begründer der finnischen Schriftsprache. 1542 erscheint das ABC-Kitia mit Vater Unser, Glaubensbekenntnis und Auszügen aus Luthers Katechismus, Erklärungen zu Taufe und Abendmahl und dem NT auf finnisch.

Im 17. Jahrhundert entwickelt sich das Luthertum zur einzigen erlaubten Religion in Finnland. Kirche und Staat sind eins. Im Finnischen Krieg annektiert 1809 Russland den Staat. Alexander I. gewährt aber den Bestand des Protestantismus. 1923 wird ein Gesetz zur Religionsfreiheit erlassen. Heute sind ca. 75% der Bevölkerung Mitglieder der evangelischen Kirche. Ein Zeichen für die Verwobenheit von Luthertum und Staatsdenken mag die noch heute gepflegte Tradition sein, an Weihnachten sowohl "Ein feste Burg" als auch die Nationalhymne zu singen. 

Die Felsenkirche

1969 wurde die in einen Granitfelsen gesprengte Kirche fertiggestellt. Ein Kupferdach mit 180 Glasfenstern lässt Licht in das schlichte wie imposante Gebäude hinein.