montag, 01.07.2019                                                                  der dreizehnte Tag

Der Morgen beginnt gemütlich. Ich stehe kurz vor 8:00 auf, wasche mich, packe, frühstücke mein Müsli - und um 9:00 gibt es schon das zweite Frühstück: Kaffee und Omelett im Gemeinschaftsraum. Nebenbei zeigt uns Soulos ein kleines Video von einem Festival, das hier jedes Jahr im August stattfindet. Lauter junge Menschen, die Musik machen, basteln, Yoga probieren, tanzen, .... lauter Dinge, die ich in meiner Jugend auch gemacht habe. Sehr sympathisch :)

Olli, der Bayer mit der Triumph hat sein Motorrad längst gepackt und düst los. Er will ja auch zwei Wochen vor mir am Nordkap sein. Nee, meins wär das nicht. Ich frühstücke gemütlich mit Soulos zu Ende und beginne dann in aller Ruhe mein Motorrad zu packen. Ich habe gerade das Topcase in seine Halterung geschoben als Soulos auf die Idee kommt, mir noch "schnell" seine Destille zu zeigen. Ich denke noch: bloß nicht gleich vergessen, die Befestigung aller Koffer zu kontrollieren. Soulos führt mich in ein recht enges "Verließ", wo in mehreren großen Glaskübeln Apfelsaft gärt. Eine Flasche Cidre bekomme ich geschenkt. Jetzt wird es aber doch langsam Zeit für den Aufbruch. Wir verabschieden uns herzlich und ich fahre vom Hof. Für einen kurzen Moment freue ich mich auf den Tag. "Rummmmms!" Mist! Woran wollte ich nochmal denken? Richtig: die Koffer kontrollieren. Das Topcase hatte ich zwar in die Halterung geschoben, aber den entscheidenden Bügel nicht angeschlossen. Nun liegt das arme Ding traurig und lädiert am Straßenrand. Wenigstens hat es sich noch auf die Seite gerettet. So nimmt der LKW, der von hinten kommt, keinen Schaden. Ich fahre rechts ran, hole das Topcase und schiebe es in seine Verankerung. Funktioniert! Juchhu! Zu früh gefreut! Durch die Beule rastet der Schließer nicht mehr ein. Ich kann es also nicht mehr festschließen. Es würde sofort wieder runterutschen. So kann ich nicht weiterfahren. Ich versuche, mit dem Zelthammer das Blech geradezuhauen. Geht nicht. Aber das Leben ist ja schön ;) In diesem Moment kommt Soulos vorbei. Und mir wird geholfen. Erstmal tragen wir alles vom Straßenrand wieder auf den Campingplatz. Soulos hat das richtige Werkzeug. Er richtet und biegt und hat auch schon die Flex am Start. Hilfe!!!??? Du wirst doch nicht? Nein, tut er nicht. Es geht auch so. Danke Soulos. Nebenbei bekomme ich von der netten Volontärin noch einen Kaffee. Ich packe neu, kontrolliere drei Mal alles auf festen Sitz - und jetzt geht es wirklich los. Richtung Riga. Damit bin ich in Lettland. Mann, geht das schnell. Mein erstes Ziel ist ein Motorradhändler. Ich finde ja meine Nachfüllflaschen für den Scottoiler nicht mehr. Aber sowas haben die hier leider nicht. Also muss eine ordinäre Flasche Kettenspray ihren Dienst tun. Wie bescheuert das ist, soll ich erst später entdecken.

Gabi lässt verlauten, dass sie schon alles gepackt hat. Morgen fährt sie nach Travemünde und dort auf die Fähre nach Helsinki. In drei Tagen sehen wir uns wieder :)

Ich schaue mir jetzt erstmal die Altstadt von Riga an. Die St. Petri Kirche am Platz der Reformation (die ist natürlich geschlossen), die St. Johanniskirche nebenan und: die Bremer Stadtmusikanten! Da bekomme ich fast Heimatgefühle ;)

Ich fahre weiter nach Cesis. So langsam sollte ich mal was essen und trinken. In Cesis gibt es einen großen Supermarkt. Dort bekomme ich Wasser, einen Salat, ein kleines Päckchen Brot, etwas Käse und alles, was ich nachher zum Kochen brauche. Ich setze mich einfach zwischen Parkplatz und Laden auf die Steine und genieße mein Essen. "Mahlzeit" sagt der Eine, "Bon Appetit" die Andere. Die meisten scheinen meine Pause ganz sympathisch zu finden. Nur einige wenige schauen etwas irritiert. Ich packe den Cidre aus und öffne die Flasche .... puh, der riecht aber seltsam. Dem ist wohl die Hitze nicht bekommen. Schweren Herzens schütte ich ihn weg.

Bis zum Campingplatz sind es nur noch 20 Minuten. Er liegt wunderschön an einem kleinen See und ist wirklich liebevoll angelegt. Bisschen viele Deutsche hier. ;) Ich suche mir einen Platz für mein Zelt, gehe duschen, Wäsche waschen und koche. Gerade bin ich mit dem Abwasch fertig als es zu regnen beginnt. Jetzt aber schnell ins Zelt. Aber erst hole ich vorsorglich noch meine Regenkombi aus dem kleinen Packsack, der am Sturzbügel hängt. Könnte gut sein, dass ich sie morgen früh brauche. Und was finde ich unter der Regenkombi? Zwei Nachfüllflaschen für den Scottoiler, wegen der ich die letzten zehn Tage alle möglichen Leute verrückt gemacht habe! Peinlich!!!

Regen und Wind legen ordentlich zu. Ich verziehe mich ins Zelt und schreibe Tagebuch .... Gute Nacht, Freunde!

Dem Maddin sein Spruch des Tages:

"Man achtet auch ein geringes Geschenk teuer und sagt: Es kommt von lieber Hand. Denn wo Liebe und Freundschaft ist, da sieht man das Geschenk nicht so sehr an wie das Herz. Das bringt etwas sehr Gewichtiges zum Geschenk."

Gatauciai - Cesis              245km

Ausgaben:

Camping                                                 €20,-

Kettenspray                                           €10,-

Abendessen                                           €7,51

 

Gesamt des Tages:                              €37,51

 

Gesamt der Reise:                               €475,71

 

Die Reformation in Lettland

Am 12.06. 1522 beginnt in Riga die Reformation. Na ja, sozusagen. Zuvor teilten sich in der 1201 gegründeten Stadt der Erzbischof von Riga und der Landmeister des deutschen Ordens die Herrschaft über die Stadt. 1520 kommt Pastor Andreas Knopken aus Treptow nach Riga. Er sammelt philosophisch und theologisch Interessierte um sich. Am 12.06. soll die erste Disputation stattgefunden haben, in die Knopken 24 Thesen einbringt. Das bleibt aber zunächst ohne Auswirkungen.

1524 geht es so richtig los. Oder auch falsch? Die Situation eskaliert. Das Franziskanerkloster wird gestürmt und geplündert. 1525 wird der Erzbischof verhaftet und der Ordensmeister ist nun zwar Alleinherrscher, wird aber verpflichtet das neue evangelische Kirchenwesen nicht anzutasten. Damit ist die Reformation politisch abgesichert.

Im livländischen Krieg 1558 - 1583 ändert sich schon wieder alles. Das Land wird aufgeteilt. Ein großer Teil fällt Polen zu. Das polnisch-litauische Königreich fördert - natürlich - die Gegenreformation. 1621 nimmt König Gustav II. Riga ein. Livland wird zum großen Teil schwedisch und der Protestantismus gewinnt hier die Oberhand. Im polnischen Teil setzt sich der Katholizismus weiter durch.

Es bleibt turbulent. 1710 erobert Russland Riga. 1721 wird ganz schwedisch-Livland russisch; 1772 auch der polnische Teil.

Keine guten Zeiten für die Protestanten - und doch wird ihr Einfluss nie ganz zurückgedrängt.

Heute hat Lettland 2 Millionen Einwohner. Zur 1917 gegründeten Ev.-luth. Kirche Lettlands gehören 290 Gemeinden, 137 Pastoren*innen, und ca. 40.000 aktive Mitglieder.

Laut der letzten Volkszählung sind 25% der Litauer Lutheraner, 23% röm.-kath. und 9% russich-orthodox.

 

Die St. Petri Kirche in Riga

Erstmals erwähnt wird die Kirche 1209 als Gotteshaus und Versammlungsort der Kaufleute und Handwerkszünfte. In Konkurrenz zum Dom der Erzbischöfe wird die Kirche stetig erweitert und erhöht. Seit 2017 heißt der Platz vor der Kirche Reformacijas Laukums (Platz der Reformation)

 

Die St. Johanniskirche

Sie ist die älteste Kirche Rigas. Um 1500 wird sie nach ihrer Zerstörung bei Kämpfen zwischen dem Deutschen Orden und der Stadt Riga wieder aufgebaut. 1523 wird sie im Zuge der Reformation den Dominikanern entzogen und zunächst als Zeughaus genutzt. 1582 bekommt die lutherische Gemeinde das Gotteshaus zugesprochen.

 

Ganz in der Nähe findet sich etwas, womit mancher nicht rechnet: die Bremer Stadtmusikanten. Ein Geschenk der Partnerstadt Bremen.