Jokertag! Heute kann ich mir mit dem Aufstehen Zeit lassen. So wird es 10:00 bis ich gefrühstückt habe und loslaufe. Mit einem kleinen Stadtplan in der Hand mache ich mich auf den Weg. Hier, so kurz hinter der Altstadt, zeigt die Hauptstadt Litauens, dass es noch viel Sanierungsbedarf gibt. Aber es wird fleißig gebaut. 300m weiter sieht es schon ganz anders aus. Im Stadtplan ist eine Tour eingezeichnet, die erst ein wenig um das Zentrum herum führt und dann mitten hinein. Ich habe nicht vor, etwas zu besichtigen. Einfach nur laufen und schauen.
Zunächst führt mich die Tour an der Nera entlang durch einen Park. Auf der anderen Flussseite erkenne ich eine Holztreppe, die steil nach oben führt. Das macht mich neugierig. Wo die wohl hinführt? Ich habe ja Zeit, also gehe ich über die nächste Brücke, auf der anderen Seit ein Stück zurück und stapfe ungezählte Treppenstufen (zumindest ich habe sie nicht gezählt) nach oben. Ein Päärchen auf dem Weg sinniert schmunzelnd über einen Fahrstuhl.
Auf vielleicht halber Höhe weist ein Schild auf Namen und Geschichte des Hügels hin. Ein gewisser Gaspar Bekes, seines Zeichens Adeliger und Kommandeur im livländischen Krieg (1558-1583) fand hier einst seine letzte Ruhestätte. Jahrzehntelang verfeindet mit seinem Gegenspieler Bathory, versöhnten sich die beiden im Kampf gegen die russische Besatzung. Nach seinem Tod wollte keine der Gemeinden in Vilnius den Unitarier auf ihrem Friedhof begraben wissen. So erbaute sein ehemaliger Widersacher an dieser Stelle einen achteckigen Turm als Grabmahl. Teile des Hügels wurden aber im Laufe der Zeit durch Erosion und Hochwasser abgetragen. So zeugt nurmehr ein kleines Schild von der Geschichte dieses Ortes.
Oben angekommen führt ein kurzer Waldweg auf eine Lichtung. Der Hügel, auf dem ich nun stehe, gibt nicht nur einen weiten Blick über die Stadt frei. Hoch und strahlend weiß stehen mitten auf dem Platz drei Kreuze. Eine beeindruckende Szene, zumal unter dem leuchtend blauen Himmel.
Der Sage nach wurden schon im 14. Jahrhundert im Gedenken an ermordete Franziskaner drei Kreuze an dieser Stelle aufgestellt. 1916 wurden diese längst verschwundenen Relikte als massive Betonbauten wieder hergestellt. Der sowjetischen Besatzungsmacht waren sie aber ein Dorn im Auge und so wurden sie 1950 schon wieder gesprengt. Nun recken sie sich erneut in den Himmel. 1988 erneut aufgebaut als Symbol der Freiheit.
Ich wundere mich ein wenig wo die vielen Menschen hier oben herkommen. Beim Aufstieg habe ich die nicht gesehen. Da ich ja ungerne den gleichen Weg zurück gehe, den ich gekommen bin, beschließe ich, auf der anderen Seite des Hügels abzusteigen. Dort müsste ich wieder auf meine ursprüngliche Route kommen. Der Weg ist längst nicht so steil wie die Stufen vorhin und nach 200 Metern wird aus dem Weg eine Straße. Ich komme auf einen Parkplatz, auf dem diverse Reisebusse stehen. Aha!
Meine Route führt mich am Fluss entlang um das Stadtzentrum herum und schließlich in einen großen Park mit Fuß- und Radwegen. Die ganze Zeit schon begegnen mir Jogger und Radsportler. Nun kommen noch Fußgänger hinzu und haufenweise Menschen auf E-Scootern. Ganz schön was los hier!
Inzwischen bin ich gut dreieinhalb Stunden gelaufen und erreiche jetzt die Altstadt. Auf meinem Stadtplan wirbt ein Restaurant mit dem Namen "Freunde". Spannend. Ein deutscher Name für ein litauisches Restaurant? Oder ist das litauisch und heißt etwas ganz anderes als ich vermute? Ich werde es herausfinden. Von einem der jungen Kellner erfahre ich, dass es dazu mehrere Stories gibt. Der Besitzer des Restaurants hatte wohl mal einen deutschen Nachbarn, ein Pastor, mit dem er befreundet war. Und der Name soll auch an die Zeit erinnern als Litauer, Polen und Deutsche gemeinsam die Grenze zu Russland gesichert haben. Nicht zuletzt wirbt das Restaurant ausdrücklich mit einem breiten Angebot für Fleischesser, Flexitarier und Vegetarier. So ungefähr hat mir das der freundliche junge Mann hinter der Theke auf Englisch zusammengefasst. Weitere Storys dazu sollen auf den unterschiedlichen Tischsets stehen. Zwei davon darf ich mitnehmen. Deikos! Das soll litauisch sein und danke heißen!? Der Text ist natürlich in der Landessprache. Bin gespannt, ob ich das zu Hause übersetzt bekomme (google behauptet ja, das zu können). Zu Hause werde ich feststellen, dass mein Englisch vermutlich ebenso schlecht ist wie die Google-Übersetzung. Im Kasten rechts habe ich eine halbwegs sinnvolle Übersetzung versucht ;)
Ich entscheide mich übrigens für ein vegetarisches Gericht!
Jetzt schlendere ich durch die Altstadt. Ohne Ziel. Ich finde die "schwarze Madonna". Die kenne ich schon vom letzten Mal als ich hier war. Ebenso diverse andere Sehenswürdigkeiten, die ich schon kenne, liegen auf meinem Weg. Nur dieses tolle Cafe'mit der irren Auswahl an Torten lässt sich nicht finden. Leider erinnere ich weder den Namen noch die Adresse. Ich meine, es stünde in dem Reiseführer, der zu Hause steht. Also funke ich Gabi an. Sie kann den Reiseführer nicht finden. Behauptet sie :) Okay, dafür verspeise ich heute Abend 500g Gnocchi ganz allein! Jawoll! Aber damit ich die essen kann, muss ich erstmal einen Supermarkt finden.
Ich finde einen - an dem ich bestimmt schon drei Mal vorbei gelaufen bin. Ich kaufe also 500g Gnocchi, dazu eine kleine Paprika und ein Bund Frühlingszwiebeln. Zusammen mit der Tomatensauce von gestern sollte mich das ordentlich satt machen.
Der Weg zurück zum "Downtown Forest" ist schnell gefunden. Ich lege mich kurz auf meinen Schlafsack. Nur ein kurzes Nickerchen. Eine Stunde später wird es langsam Zeit für die abendliche Routine. Kochen, Tagebuch schreiben und so. Morgen geht es weiter. Richtung Nordost. Der Campingplatz ist echt "charmant". Wenn nur die sanitären Anlagen nicht so arg puristisch wären :(
Dem Maddin sein Spruch des Tages:
"Wenn es keine Vergebung der Sünden gäbe, so wollt ich Gott gern zum Fenster hinauswerfen."
Ausgaben:
MIttagesssen €7,90
Abendessen €4,58
Gesamt des Tages: €12,48
Gesamt der Reise: €403,71
Tag 5 Schwerte - Mansfelder Land
Tag 6 Mansfelder Land - Groß Düben
Tag 22 Skarsvåg - Nordkap - Skarsvåg
Tag 35 Sunndalsøra - Geiranger
Tag 38 Haukeland - Bergen- Haukeland
Wir beziehen uns auf eine wahre Begebenheit aus der Zeit als wir die Nachbarn von Deutschland waren. Die Litauer reisten durch den Liepona-Strom zu den Deutschen, arbeiteten an ihren Sägewerken oder halfen bei der Ernte. Nach der schweren Arbeit setzten sich alle an einen gemeinsamen Tisch, um zu essen. Das Essen war reichlich und die Tische lang. Jeder war am Tisch unbeholfen, weil die gemeinsame Sprache fehlte. Wir (die Restaurantbesitzer) mochten diese einfache Geschichte.
Chefkoch Massimo Bottura und seine große Familie, der Mann, die Kinder und das gesamte Restaurantpersonal, sind die Ersten, die in einem der weltbesten Restaurants zu Abend essen - der Osteria Francescana. Und so tun sie das jeden Tag. Ein gutes Essen bringt sie zusammen. Etwas, das Lidia Cristoni, eine alternde, schroffe, aber gutmütige Kollegin Massimos nur ungern tut. "Benötigen Sie Hilfe?" Nur eines Tages an die Tür geklopft, das Gefühl spielt keine Rolle, die benötigte Hilfe ist selbstverständlich. Und nun: Seit über dreißig Jahren ist Lidia die Meisterin der Osteria Francescana Paste, die alle lehrt, zusammenzuhalten. Wir glauben, dass gutes, leckeres Essen die Menschen zusammenbringt.