Freitag, 28.06.2019                                                                           der zehnte tag

Heute darf ich gemütlich aufstehen. Die Strecke nach Vilnius wird nicht so viel Zeit beanspruchen. Ich habe mich entschieden, nicht wie geplant ein Teilstück des TET unter die Räder zu nehmen. "TET" steht für Trans-Euro-Trail und verbindet verschiedene legale Offroad-Strecken in ganz Europa. Da mir der gestrige Ausflug mit dem schwer beladenen Motorrad doch Respekt abgenötigt hat, bleibe ich heute lieber auf Asphalt. Es wird noch genügend Gelegenheiten geben, unbefestigte Wege zu erkunden.

Ich frühstücke also in aller Ruhe, packe gemütlich alle Sachen zusammen und mache mich auf den Weg. Uih, der Wind ist zwar nicht mehr ganz so heftig wie gestern, aber immer noch nicht wesentlich weniger kühl. Werde wohl bald die Überjacke anziehen. 

In Alytus, ja ich bin inzwischen in Litauen, mache ich eine kurze Einkaufspause. Erstaunlich: das große Einkaufscenter hier hat weder einen Bäcker noch ein Cafe'. Scheint in Litauen nicht üblich zu sein wie ich noch feststellen werde. So kaufe ich lediglich eine neue Halogenbirne für das Abblendlicht.

In Alytus soll es eine richtig alte evangelische Kirche geben. Leider habe ich keine Adresse finden können und die Touristinformation macht natürlich gerade Mittagspause. Also kurve ich einfach ein wenig durch die Innenstadt, aber leider ohne Erfolg. Ich bin übrigens eine ganze Stunde früher in Alytus gewesen als erwartet. Mein Navi behauptete, ich solle um 13:00 hier sein. Die Uhr auf dem Motorrad zeigt aber erst 12:00! Ups, das Navi hat sich automatisch auf die neue Zeitzone eingestellt, in der ich mich jetzt bewege! :)) Mein Smartphone hat das auch verstanden. Ich jetzt auch :))

Durch die Kurverei in Alytus komme ich an anderer Stelle aus dem Ort als geplant. So kommt es, dass ich über Trakai nach Vilnius fahre. Zwischendurch mache ich noch eine Pause bei einem kleinen Restaurant, direkt an einem See. Den Kaffee zu bestellen ist nicht schwierig. Eine Kleinigkeit zu essen wäre auch nett. Zum Glück bietet die Speisekarte eine Übersetzung ins Englische. Aber was bitte sind "dumplings"? Die freundliche Kellnerin weiß auch nicht, wie sie mir das auf Englisch erklären soll. Aber es gibt ja das "allwissende" Netz. Ah, Teigtaschen! Okay: "So, please, dumplings with onions and spinach." Die schmecken richtig gut. Sind halt handgemacht. Solch kleine Küchen, die noch echte Handarbeit anbieten ohne dafür hippe Preise zu verlangen, habe ich in Deutschland noch nicht gefunden. Ich denke an den Campingplatz in Tschechien (siehe hier).

In Trakai bin ich vor 12 Jahren schon einmal gewesen. Ob das junge Mädchen von damals wohl noch auf dem Campingplatz nahe Trakai arbeitet? Ich werde es nicht erfahren, denn heute werde ich in der Hauptstadt Litauens übernachten. Sie sprach so perfekt deutsch, dass ich erstaunt fragte, woher sie das könne. Die Antwort erstaunte mich weitaus mehr: "Ich schaue immer Super RTL". Okay, auch dieser Sender kann Bildungsfernsehen sein!?

In Trakai verwirre ich mein Navi erneut, indem ich quer durch den Ort gurke. Wenigstens ein Mal mit Blick auf die Burg halten, die mitten in einem See liegt. Dank des Umweges spendiert mir mein Navi dann doch noch einen guten Kilometer Gravel-Road. Jippie! :))

Vilnius ist schnell erreicht. In einem Lidl kaufe ich etwas fürs Abendessen und gönne mir eine kleine Flasche Wein. Mitten in der Altstadt liegt die kleine evangelische Kirche, die ich noch besuchen möchte bevor ich zu dem Hostel fahre. Auf dessen Campingplatz will ich die nächsten beiden Nächte verbringen. Die Kirche liegt in einem kleinen unscheinbaren Hinterhof - und ist natürlich verschlossen. Na, dann schaue ich morgen nochmal vorbei.

 

Das Navi führt mich durch lauter kleine Gassen. Über reichlich Kopfsteinpflaster erreiche ich am Rand der Altstadt das "Downtown Forest". Sowohl "Forest" ist doch etwas übertrieben als auch die Bezeichnung der Wiese als Campingplatz. Sechs Wohnmobile und ebenso viele Zelte haben hier Platz. Aber der Empfang ist nett und morgens gibt es Coffee and Tea for free.

 

Ich koche mein Abendessen in der Gemeinschaftsküche des Hostels. Nach dem Essen setze ich mich mit einem Cappuccino draußen auf eine Bank. Ein kleiner irischer Junge wird von seinem Vater bespaßt. Eine Mischung aus Hand- und Fußball soll den Kleinen müde machen. Auch ich darf zwischendurch mitspielen.

Dann rufen Wein und Käse!

p.s.: der Käse war definitiv kein Käse. Null Geschmack und eine Konsistenz wie schlechtes Weingummi!

Dem Maddin sein Spruch des Tages:

"Wer eine Stunde versäumt, der versäumt auch wohl einen Tag."

Augustow - Vilnius          240km

Ausgaben:

Mittags-Snack & Kaffee                     €8,00

Halogenbirne                                        €6,99

Abendessen                                           €6,38

Hostel                                                       €20.00

 

Gesamt des Tages:                              €41,37

 

Gesamt der Reise:                                €391,23

Die Reformation in Litauen

 

Der Theologe Martynas Mazvydas veröffentlicht 1547 einen lutherischen Katechismus in litauischer Sprache und damit das erste Buch überhaupt auf litauisch. Eigens dafür entwickelt er eine litauische Rechtschreibung.

 

Andreas Volanus verlegt mehrere Bücher zur Abendmahlslehre und Christologie, die aber zunächst verboten werden. Eher vergeblich bemüht er sich um eine Einheit der unterschiedlichen reformierten Strömungen in Litauen.

 

Jonas Gruzevskis gründet 1596 eine ev.-ref. Gemeinde in Kelme. Sein Sohn Jurgis stiftet später eine Kirche, deren Bau 1622 abgeschlossen wird. Sie ist die älteste Kirche in Litauen, die noch heute von Protestanten genutzt wird.

 

Die Reformation, eher politisch vorangetrieben als in der Frömmigkeit der Bevölkerung verankert, breitet sich nur mäßig aus. Nach dem 1. Weltkrieg werden die meisten Protestanten aus dem Land vertrieben.

 

Die heutige ev.-luth. Kirche in Litauen entstand 1918 und hat ca. 20.000 Mitglieder in 54 Gemeinden mit 19 Pastoren und 2 Diakonen. Nicht wirklich viel für ein ganzes Land.

77% der Bevölkerung sind römisch-katholisch.