Freitag, 08.03.2019                                                                               der fünfte tag

REHA- Zentrum "Lifegate"

Nahe Checkpoint und Mauer befindet sich in Beit-Jala das "Lifegate", ein Reha-Zentrum für Menschen mit Behinderungen, ähnlich der WfbM bei uns. Menschen aus dem Westjordanland werden hier gefördert, entweder in den Werkstätten der Einrichtung oder mit Aufgaben, die sie zu Hause erledigen können. Wir werden diese Einrichtung heute morgen besichtigen. Aber zuvor - das musste ja kommen - werden Gabi und ich noch zu den Hirtenhunden des Tages ernannt. Das kann ja heiter werden.

Ein freundlicher Niederländer führt uns herum. "Wir wollen den Menschen mit Behinderungen eine Stimme im Westjordanland geben", erklärt er das Ziel der Einrichtung. Natürlich lebt auch diese Organisation von Spenden. Freiwillige, Volontäre und ein paar Angestellte halten die Arbeit am Laufen. Mich beeindruckt, wie engagiert und liebevoll hier gearbeitet und gelebt wird. Nicht selbstverständlich in dieser schwierigen politischen Lage.

Ich selbst habe immer ein komisches Gefühl, wenn ich durch eine solche Einrichtung laufe, in die Räume schaue; fühle mich ein wenig wie ein Zoobesucher. Aber die meisten, die hier arbeiten, freuen sich über den Besuch, lächeln uns freundlich zu oder begrüßen uns sogar mit Handschlag oder einem kleinen Satz auf Englisch. Das beschämt mich fast noch mehr.

Wir kommen an der Schreinerwerkstatt vorbei und ich sehe eine kleine Krippe aus Olivenholz. Hoffentlich gibt es die in dem kleinen Laden zu kaufen, der dem "Lifegate" angegliedert ist. Ich muss an die Geschichte denken, die eine wirklich liebe Kollegin, eine tolle Frau, neulich erzählte. Da ging es auch um eine kleine Krippe, die sie mit in ein Seniorenwohnheim genommen hatte. Sie sammelt Krippen, und ich würde ihr gerne diese Krippe aus Israel/Palästina mitbringen. In dem kleinen Laden finden wir tolle Sachen. Ein Kochbesteck aus Olivenholz wird mein altes ersetzen. Taschen, Porzellan, so vieles, was mir gefällt, dass Gabi mich (das hatten wir doch schon?) bremsen muss - aber keine Krippe! Ich frage nach. Nein, diese Krippe gibt es nicht mehr. Unten in der Werkstatt, das ist die letzte und eigentlich nicht zum Verkauf bestimmt. Ob ich das Herz meines niederländischen Freundes erweichen kann, wenn ich ihm erzähle, warum ich sie kaufen möchte? Ich kann;). Wir gehen gemeinsam nach unten, er wechselt ein paar Wort mit dem Werkstattleiter und die Krippe steht zum Verkauf. Ein wunderbarer Beginn dieses Tages.

Umso größer die Ambivalenz, an der israelischen Mauer entlang zu fahren, am Checkpoint als Touristen durchgewunken zu werden, während Palästinenser ständig mit Schikanen rechnen müssen.

Von der Einrichtung "Lifegate" habe ich natürlich keine Bilder. Das wäre nun wirklich zu sehr Zoo. Wer sich informieren möchte, kann dies unter www.lifegate-reha.de tun. Es lohnt sich.


Via Dolorosa

Wir kommen nach Jerusalem und gehen durch das Zionstor (Tor des Propheten David) in die Stadt. Die Via Dolorosa, das ist Latein und heißt "der Leidensweg", ist unser erstes Ziel. Heute hat dieser "Kreuzweg", der den Weg Jesu durch Jerusalem nachempfinden will, vierzehn Stationen. Kreuzwege sind übrigens eher eine europäische Tradition, erklärt uns Ramziah. Dieser hier wurde in Verlauf und Stationen immer wieder an die städtischen Begebenheiten angepasst. Sein Ende ist natürlich in der Grabeskirche.

Aber nein, wir gehen natürlich nicht alle 14 Stationen ab. Dafür haben wir nun wirklich keine Zeit. Gabi und ich bemühen uns, die Gruppe beisammen zu halten und trotzdem noch ein wenig von dem mitzubekommen, was unser Guide erzählt. So einiges werde ich wohl zu Hause nachlesen müssen.


Die Grabeskirche

Von sechs christlichen Denominationen wird die Grabeskirche bespielt. Wie oft das wohl zu Konflikten führt? Schon in der Nebensaison ist die Kirche gut gefüllt. Heute müssten wir zwei bis drei Stunden anstehen um das noch intakte Felsengrab in Augenschein zu nehmen. Das ist sogar mir zu lang;) Und ich bin ja auch Hirtenhund, muss mich also um meine Schafe kümmern:) Aber: wer ist hier eigentlich der Hirte? Oder die Hirtin?? :))

Das eigentlich Grab ist nicht sehr groß, die Kirche drumherum um so größer - und voller Menschen. Da stört es auch nicht, wenn ein kleiner Traktor mit Bauschutt mitten durch die Menge kurvt. Selbst die Stein knutschenden, pardon, betenden Menschen scheint das nicht zu irritieren. Ich bin mal wieder irgendwie fasziniert.

Wir gut, dass ich für diverse Aufnahmegeräte ausziehbare Stangen habe. So kann ich auch von hinten einfach über die Köpfe hinweg fotografieren und muss mich nicht in den Kampf um die vorderen Plätze einmischen;)

Mittagessen und Basar

Ja, es ist schon Zeit fürs Mittagessen und eine kleine Pause zum Bummeln. Das bedeutet auch eine Pause für die "Hirtenhunde". Also machen Gabi und ich uns direkt nach der Einnahme eher mäßiger Fastfood-Falafeln aus dem Staub und erkunden den Basar.

Für die Kids zu Hause soll es ein paar Gewürze als Mitbringsel geben (und für uns natürlich auch), und ich möchte für meine Lieblingskollegin und gute Freundin eine kleine Schale mit dem Mosaik der Brote und Fische erstehen. Das sollte es irgendwo in den vielen Gassen des Basars wohl geben;).

Einen kleinen Laden mit Keramik finden wir recht schnell und der erste Kauf ist getätigt. Ich frage den Verkäufer, wo es in der Nähe Gewürze gibt. Er schickt uns - wer hätte damit gerechnet;) - zu seinem Bruder, der hundert Meter weiter das entsprechende Geschäft besitzt. Wir mögen schön grüßen. Das tun wir. Und so sind wir schneller als erwartet fündig geworden und können noch ein wenig bummeln. Vielleicht noch eine Bluse oder ein Kleid für Gabi? Nein, ir sind diszipliniert und gucken nur. Na ja, abgesehen von einem quietschgelben Gebäck, dem wir nicht widerstehen können. Selbst schuld: so aufdringlich die Farbe, so geschmacksneutral ist das Gebäck selbst. Wieder eine Erfahrung reicher, aber in dieser Beziehung gehören wir wohl nicht zu den Menschen, die aus ihren Fehlern lernen.

Die Himmelfahrtskirche

Wir verlassen die Altstadt und erklimmen den Ölberg. Erster Halt ist die Himmelfahrtskirche. Sie wurde 1914 von der Kaiserin-Auguste-Viktoria-Stiftung fertiggestellt. Ursprünglich war dies ein Hospital. Heute darf man/frau den Kirchturm besteigen und hat einen tollen Blick auf die Altstadt.

Dominus Flevit

Schon wieder Latein: der Herr weinte. Als Jesus auf dem Ölberg steht und auf Jerusalem hinabschaut, bewegt ihn das Schicksal dieser Stadt und er weint (Lukas 19, 41-49). Und natürlich steht auch hier eine Kirche, erbaut 1935 von den Franziskanern.

Im Garten Gethsemane

Nachdem Jesus mit seinen Jüngern das Mahl gefeiert hat, kurz vor seiner Verhaftung, geht er in den Garten und betet (Lukas 22, 39-46). Es ist gut möglich, dass einige der Olivenbäume hier, damals schon standen. Schade, dass ich sie nicht fragen kann.

Ja, auch hier steht eine Kirche. Ich wäre jetzt gerne allein und würde ein wenig in der Bibel lesen. Aber ich bin ja "Hirtenhund", und prompt mahnt unser Guide meine Aufmerksamkeit an. Und das fünf Minuten vor der verabredeten Zeit, die wir zum Schauen haben sollten. Ich werde ungehalten. Meine Stimmung sinkt gen Nullpunkt. Diese vielen Eindrücke und der ständige Zeitdruck sind an sich schon anstrengend. Für die Aufgabe als Hirtenhund in ich denkbar ungeeignet.

Dormitio Basilika + Kirche der Nationen

Schon wieder Latein: dormitio = entschlafen. Hier soll Maria gestorben sein. Auch das ist natürlich eine Kirche wert. Meines Wissens hat diesmal Josef das Nachsehen. Er ist in der Versenkung der Geschichte verschwunden. Ach, wir armen Männer!

In der Kirche, genauer in der Krypta, liegt die "schlafende" Maria, also natürlich nur eine Figur. Auf die Kuppel über ihr sind Bildnisse von Frauen aus dem Alten Testament aufgebracht: Eva, Mirjam, Ruth, Jael und Judith.

Lukas 22, 44: die Kirche der Nationen bezieht sich auf das inständige Gebet Jesu im Garten Gethsemane. Ihren Namen trägt sie, weil sie mit Geldern aus zwölf Nationen gebaut wurde.

Die Westmauer

Die Westmauer, auch als "Klagemauer" bekannt, hatte früher eigentlich keine wirkliche Bedeutung. Erst als unter Süleyman I. dieses Stück Mauer den Juden als einzige Gebetsstätte zugestanden wurde, bekam sie ihren symbolischen Wert.

Als wir ankommen, ist es kurz vor Beginn des Shabbat. Ich dürfte durchaus auf der Seite der Männer bis zur Mauer gehen, aber ich fühle mich zu sehr als Tourist. So beobachte ich die ganz unterschiedlich gekleideten Menschen, die auf den Platz strömen. Ramziah erzählt, dass die Arten, sich zu kleiden, aus den verschiedenen jüdischen Kulturen stammen, die Menschen aus ihrem früheren Lebensraum mitgebracht haben.


Was für ein Tag. Gabi und ich sind rechtschaffen müde - und beide froh, dass wir morgen diesen blöden Job wieder los sind. Jerusalem ist faszinierend, vielfältig, ambivalent. Und Jerusalem ist es wert, mehr als einen Tag erlebt zu werden. Vielleicht komme ich ja wirklich eines Tages mit dem Motorrad in diese Stadt, in dieses Land.