Donnerstag, 07.03.2019                                                                  der vierte Tag

Nach einem ausgedehnten Frühstück (wir haben mal Zeit!) besuchen wir die Verkündigungskirche, die wir gestern Nacht schon außen in Augenschein genommen haben. Ihr Name bezieht sich auf die den Engel Gabriel, der einer gleichwohl jungen wie wohl recht erstaunten Maria die Botschaft überbringt, sie sei nun schwanger und würde einen Sohn gebären, und der würde ... aber lest selbst: Lukas 26, 1-34. Wenn ich dem biblischem Text glaube, hat das Mädel sich aber schnell gefangen, denn gleich darauf stimmt sie ein wunderbares Loblied an. Sie war vielleicht die erste politische Liedermacherin (Lukas 1, 47-55).

 

Die Verkündigungskirche beeindruckt nicht nur durch ihre Größe. Am besten gefallen mir die vielen verschiedenen Mosaike und Darstellungen von Maria und dem Jesuskind. Jede ganz nach anders, geprägt von Land und Kultur der Herkunft. Ob Asien, Europa oder Afrika, jede Darstellung ist einzigartig und spiegelt Kultur und Glauben der Menschen auf ganz unterschiedliche eindrückliche Weise.

 

Und besonders gerührt bin ich natürlich, dass es neben der großen Kirche für Maria auch eine,natürlich kleinere, für Joseph gibt. Das ist doch allerliebst. Es lebe die Gleichberechtigung!


Was ich noch habe nicht erzählt habe: jeden Tag werden zwei aus der Gruppe zu "Hirtenhunden" erkoren. Ihre Aufgabe ist es, auf die Vollzähligkeit der Gruppe zu achten, also die Gemächlichen etwas zu motivieren, im Bus bis 25 zu zählen und unterwegs ganz hinten zu laufen. Mir tun die beiden leid, denn sie bekommen von dem, was Ramziah erzählt oft weniger mit. Wir haben ja keine Zeit und darum fängt unser Guide oft schon mit dem Erzählen an, wenn die letzten noch auf dem Weg zur Gruppe sind. Wenn wir viel und weit laufen, ist das ein echter Nachteil. Wie gut, dass ich noch nicht ahne, wann es mich trifft. Ich hätte mich krank gemeldet.

Wir fahren weiter nach Beth Shean, einer Ausgrabungsstätte im nördlichen Jordantal. Hier sind die Überreste einer 1,3qkm großen Römerstadt zu erlaufen. 40-50 Tausend Einwohner (und wohl auch Einwohnerinnen) soll diese Stadt gehabt haben. Vermutlich im Jahre 749 ist sie einem Erdbeben zum Opfer gefallen und wurde nicht wieder aufgebaut.

Gabi und ich lauschen zwischendrin mal einem anderen Guide, der seiner Gruppe von dem Leben damals an diesem Ort erzählt. Und wir stellen fest, wie unterschiedlich sich das anhören kann. Während Ramziah sehr sachlich und historisch erklärt, wie die Menschen hier gelebt haben, malt der Guide der anderen Gruppe lebendige Bilder, erzählt blumig vom Nachtleben mit Kneipen und Bordell - das hatte Ramziah völlig unterschlagen;) - und streut jede Menge Anekdoten in seinen Bericht ein. Der Wahrheitsgehalt seiner Erzählungen scheint ihn indes wenig zu interessieren. Hauptsache seine Leute haben Spaß. Na ja!?

Gabi und ich kraxeln noch auf die höchste Erhebung des Geländes, wo ein kahles Bäumchen ziemlich leblos ein paar Äste in den Himmel reckt. Von dort haben wir einen guten Blick auf die Ausgrabungsstätte und das Land ringsum.

Die Taufstelle Qasr Al Yahud ist unser nächstes Ziel. Die Fahrt dorthin führt uns durch Steppe und an die Grenze zu Jordanien. Der letzte Teil der Zufahrt führt sogar durch Minengebiet. Deshalb sind rechts und links Stacheldrahtzäune und Warnschilder.

Ungewöhnlich viel Wasser führt der Jordan zur Zeit. Vor dem Eingang steht eine Schaufensterpuppe mit einem weißen Hemd. Merkwürdig. Aber der Sinn ergibt sich, als wir hineingehen. Unzählige, vermutlich russisch-orthodoxe Christinnen und Christen haben sich in solch weißen langen Hemden versammelt, bereit, gleich ins Wasser zu steigen und vermutlich so eine Art Tauferinnerung zu feiern? Oje, hoffentlich haben die was drunter;).

Ich versuche mir vorzustellen wie Jesus hier von Johannes getauft wurde (Matthäus 3, 13-17). Dann kommt der Geist Gottes wie eine Taube auf ihn herab. Die laufen hier auch herum, die weißen Tauben. Sie wirken allerdings nicht sehr geistvoll, und ihr natürlicher Lebensraum ist das wohl auch kaum. Aber die Worte Gottes klingen in meinem Kopf: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. 

Auf der anderen Seite des Wassers sehen wir die jordanische Variante der Touristenstätte. Nur, das hier kein Mensch zu sehen ist. Jordanien ist zu Unrecht touristisch noch wenig bekannt.

Nach jüdischer Tradition, erfahren wir noch von Ramziah ist dieser Ort mit dem Einzug ins gelobte Land (Josua 3-4) und der Himmefahrt des Elija (2.Könige 2) verbunden. Jetzt würde ich gerne noch sehen, wie die weiß gewandeten ins Wasser steigen. Aber wir haben natürlich keine Zeit. Jericho wartet; bzw. das Mittagessen.

also schnell wieder in den Bus. Jericho ist eine unscheinbare Stadt. Schön ist anders. Hasan bugsiert seinen Bus sicher und mit unerschütterlicher Ruhe durch enge Gassen zu einem kleinen Restaurant. Etwas verwundert haben wir auf dem Weg einen Baum behängt mit Weihnachtsbaumkugeln gesehen. "Die spinnen die Jerichoer";)

Im Restaurant gibt es diverse Salate, Saucen und die besten Falafeln, die ich je gegessen habe. Jetzt kann ich das natürlich noch nicht wissen, aber von all den Restaurants, in denen wir für 9 bis 10 Euro zu Mittag gegessen haben, ist dieses mit Abstand das Beste! Das uns hier auch Pommes kredenzt werden, mag ein europäisches Zugeständnis sein, tut aber dem kulinarischen Erlebnis nicht weh.

Wir fahren weiter, mit kurzem Halt zur Aussicht auf das Gebiet des historischen Jericho. Das lässt sich aber kaum erahnen. Mein favorite Fotomotiv: eine alte vergammelte Sitzbank aus einem Auto.

 

Wir fahren weiter durch die Steinwüste zum Wadi Kelt und St. Georgs-Kloster im Westjordanland. Man/frau könnte am Wadi entlang zu dem Kloster wandern. Ramziah behauptet das ginge wegen des Regens in der letzten Zeit nicht. Wohl nur um nicht schon wieder sagen zu müssen, dass wir dafür keine Zeit haben;)

Eine enge kurvige Straße führt zu einem kleinen Parkplatz. Meine Bewunderung für unseren Busfahrer steigt von Tag zu Tag.

Am Parkplatz warten einige Verkäufer mit diversen Artikeln auf Touristen. Einer wickelt mir ein Palästinensertuch um den Kopf, in der Hoffnung, dass ich es dann kaufe. Ich möchte aber gerne erstmal zum Aussichtspunkt auf das Kloster gehen. Da er Englisch spricht, erkläre ich ihm, dass er warten soll, bis wir zurück kommen. Aber Warten scheint nicht so sein Ding zu sein. Er folgt uns, redet auf mich ein und wird zunehmend aufdringlich - bis ich ihm recht energisch, sowohl verbal als auch mit einer deutlichen Körpersprache auf Abstand bringe. Sorry, mein Freund, aber das Geschäft hast du dir versaut.

Der Blick auf das Kloster ist phänomenal. Oh, wie gerne wäre dort unten gelaufen. In den Felsen sind die Gebäude kaum zu erkennen. Es ist sicher nicht einfach, sich dort mit allem zu versorgen, was man braucht (ist ein Männer-Kloster). In der Ferne sind Zelte von Beduinen zu sehen. 

Oh Wunder! Wir haben Zeit übrig. Also fahren wir noch nach Jerusalem. Nicht ins Zentrum, sondern auf den Ölberg. Die Pater-Noster-Kirche wartet auf unseren Besuch. Ja, keine biblische Geschichte, zu der es keine Kirche gäbe;). Hier soll Jesus seine Freundinnen und Freunde das Vater Unser (lat.: pater noster) gelehrt haben (Matthäus 6, 7-13). In mehr Sprachen ls mir bekannt sind, ist dieses Gebet, das Christinnen und Christen auf der ganzen Erde verbindet, auf Mosaik-Tafeln geschrieben.

Wir fahren weiter nach Beit-Jala. In dem Ortsteil von Bethlehem liegt die Abrahamsherberge, unser Quartier für die letzten Tage in Israel. Nicht ganz so mondän wie das Legacy in Nazareth, aber urig und gemütlich. Ist schön hier. Morgen geht es nochmal nach Jerusalem. Viel mehr bietet diese Stadt als wir an einem Tag erleben, erfahren, begehen können. Es soll der für mich anstrengendste, frustrierendste und doch wichtigste Tag dieser Reise werden. Aber das weiß ich jetzt natürlich noch nicht.

Bevor wir uns dem wohlverdienten Schlaf überlassen, packe ich noch die Technik, die ich morgen mitnehmen möchte. Gar nicht so einfach, sich zu entscheiden;)