Mittwoch, 06.03.2019                                                                       der dritte tag

Normalerweise nehmen Gabi und ich uns im Urlaub höchsten zwei Attraktionen vor, die wir uns ansehen wollen. Heute stehen fünf auf dem Programm. Und wenn uns das viel erscheint, dann nur, weil wir noch nicht ahnen, wie viele es übermorgen in Jerusalem sein werden. Und wenn wir heute schon, .... aber das wissen wir ja glücklicherweise noch nicht

Ob die Fahrt auf dem See Genezareth wohl der Höhepunkt des Tages wird? Das "Glaubensboot" weckt aufregende Assoziationen. Aber unsere Gruppe geht auf ein anderes Schiff; etwas kleiner, etwas älter, und dann ... aber das kommt ja noch gar nicht.


Nach dem Frühstück und ein paar Fotos vor unserem Gästehaus besteigen wir den Bus. Hasan, unser Busfahrer, wird uns nach Akko bringen. Hier haben die Kreuzritter damals Hof gehalten. Die alte Kreuzritterhalle zeugt davon. Ein uriger Fischerhafen und ein gemütlicher Basar, das alles bei strahlendem Sonnenschein, machen es den Händlern leicht, die eine oder andere Ware an quirlige Touristen zu verkaufen. Ich lasse mich natürlich nicht so leicht einwickeln und kaufe kurz entschlossen eine Tüte Safran für einen Euro. Laut Verkäufer beste Qualität. So günstig bekommt man den bei uns schließlich nicht :))

Als nächstes steuern wir den "Berg der Seligpreisungen an". Hier, am Nordrand des Sees Genezareth soll Jesus seine berühmte Bergpredigt gehalten haben (Matthäus 5, 1-12). Historisch ist das wohl nicht, die Seligpreisungen sind eher eine literarische Sprüchesammlung. Das tut aber weder den weisen Worten noch dem Ort einen Abbruch. Selig sind, die in dem Gewusel hier oben zu innigem Gebet finden. Und das sind gar nicht so wenige. In der Kirche aus schwarzem Basalt und weißem Kalkstein von 1937 knien eine Vielzahl Gläubiger inbrünstig mit gefalteten Händen unter der goldenen Kuppel. Nicht ohne gleich im Anschluss, noch kniend, das Handy zu zücken und ein Selfie zu machen. Manche können auch beides gleichzeitig. Ich schwanke zwischen Irritation und Faszination und kann mich nicht des ketzerischen Gedankens erwehren, ob man/frau für einen solchen Glauben katholisch sein muss;)

Wir fahren zu den Booten, die Touristen auf den See Genezareth bringen. Ich denke an die biblische Erzählung der Sturmstillung (Markus 4, 35-41). Aber der See ruht still vor sich hin, der Himmel ist leicht diesig. Angesichts der zum Teil doch recht abgerockt wirkenden Boote vielleicht ganz beruhigend. Ich erwarte eine ausgedehnte Fahrt in die Mitte des Sees, um ein Gefühl für seine Größe zu bekommen (in Ostfriesland hieße sowas Meer) - aber ich werde enttäuscht. Nein, diesmal liegt es nicht daran, dass wir zu wenig Zeit hätten (obwohl das wohl auch stimmen würde). Nachdem tatsächlich mal ein paar Touristenboote in einen Sturm gekommen sind, müssen sie in der Nähe des Ufers bleiben. Ehrlich gesagt: ziemlich langweilig. Ich mache ein paar Fotos, drehe zwei drei kurze Videos, damit der/die/das neue Gimbal endlich zum Einsatz kommt und freue mich auf das Fischessen, das gleich auf dem Programm steht. Der sogenannte Petrus-Fisch geht natürlich ebenfalls auf eine biblische Geschichte zurück, in der Jesus die Simon (Petrus) und seine Kollegen auffordert, nach einer vergeblichen Fahrt noch einmal raus zu fahren. Sie vertrauen ihm und fangen so viele Fische, dass das Boot zu sinken droht (Lukas 5, 1-11).Vorher könnten wir auf dem Boot noch einige Souvenirs kaufen, die beweisen sollen, dass wir auf dem See waren. Keiner aus der Gruppe scheint das Verlangen danach zu haben;)

Wir fahren in einen kleinen Ort kurz vor Kapernaum. Recht nah an der Hauptstraße befindet sich eine Art Einkaufszentrum. Das Restaurant, in das wir einkehren mutet ein wenig wie ein Kochlöffel-Imbiss aus den 50ern an. Hier haben sich 150 oder 200 Touris Platz um sich an dem durchaus reichhaltigen Salatbuffet zu laben und sich auf den Fisch zu freuen. Der Kellner fragt freundlicherweise, ob jemand den Fisch lieber als Filet haben möchte. Ich nehme ihn natürlich im Ganzen und werde ihn fachgerecht zerlegen. Fischgräten machen mir keine Angst. Einigen anderen schon. Dabei sind das doch (fast) alles waschechte Ostfriesen;). Im Nachhinein muss ich gestehen, dass mir der Salat fast besser als der Fisch geschmeckt hat :(

Nach Salat und Fisch gibt es noch einen starken Kaffee - aus einem Espresso-Pappbecher, vielleicht 5cm hoch. Ja, der Individualreisende in mir sehnt sich nach etwas weniger touristischem Ambiente. Mir bleibt wenig Gelegenheit, darüber nachzudenken. Wir müssen ja weiter;)

In Tabgha sind wir dort, wo Jesus dafür gesorgt hat, dass mehr als 5000 Menschen von fünf Broten und zwei Fischen satt wurden (Matthäus 14, 13-21). Ein Wunder? Gruppendynamik, weil alle doch noch ihre Vorräte rausholten und teilten? Wie auch immer. Eine nette kleine Geschichte, die deutlich macht, dass Christus nichts davon hält, Menschen hungern zu lassen.

Natürlich steht auch hier eine Kirche, gleich nebenan ein diesmal wirklich netter kleiner Souvenirladen mit schöner Keramik und anderen Devotionalien. Gabi muss mich mühsam im Zaum halten, damit ich nicht irgendwas kaufe, was ich im Flugzeug gar nicht transportieren kann. Wie gut, dass die Zeit drängt;)

Die nächste Kirche, die wir besichtigen, ist die "Primatskirche". An diesem Ort soll Jesus nach seiner Auferstehung den Jüngerinnen und Jüngern erschienen sein. Gemeinsam haben sie "das Mahl" gefeiert. Und dann hat Jesus Petrus gefragt: "Liebst du mich?" (Johannes 21, 15-17). Die Bibelfesten unter uns wissen, das bezieht sich auf die Geschichte mit dem Hahn und der Verleugnung (Matthäus 26, 31-35 + 69-75). Ganz bewusst beauftragt Jesus den sicher beschämten Petrus seine Gemeinde zu leiten. Was für eine Story.

Wir schauen uns die Kirche an, laufen über das Gelände und genießen noch ein wenig die untergehende Sonne am Wasser.

Wir fahren weiter nach Nazareth, also dem Heimatort Jesu. Das ursprünglich gebuchte Hotel war überbucht, darum hat die Reiseleitung uns im Hotel Legacy untergebracht. Was für ein Glück für uns.Das Hotel ist das erste am Platz. Der Camper in mir kann mit so viel Luxus kaum umgehen. Unser Zimmergleicht mehr einer Suite: Schlafbereich, Wohnbereich (beides mit Fernseher), Küche und Bad. Wow! Einige aus der Gruppe haben zwar ein etwas kleineres Zimmer, dafür aber mit Blick auf die wunderschön beleuchtete (ja, es ist inzwischen dunkel) Verkündigungskirche.

Nachdem wir unsere Zimmer bezogen haben, gibt es Abendessen. Das Buffet ist riesig. Lustig das pinkfarbene Gemüse. Womit auch immer sie diese Farbe hinbekommen haben, der Geschmack bleibt so weit dahinter zurück, dass wir nicht in der Lage sind, ihn einem bestimmten Gemüse zuzuordnen. Der Hammer ist dafür ein Braten in einer Weintraubensoße. Das war in längst vergangenen Zeiten mal mein Lieblingsgericht. Immer wenn der junge Torsten aus dem fernen Ruhrgebiet mal wieder seine Eltern im hohen Norden besuchte, machte meine Mutter einen Rollbraten (der brauchte schon einen halben Tag) und aus mühsam von Hand enststeinten und geschälten Weintrauben eine Soße, die meine Geschmacksnerven regelmäßig in Ekstase versetzte. Und jetzt sitze ich hier und diese Soße bleibt kaum hinter den Erinnerungen aus der Jugend zurück. Fehlen nur noch meine Eltern mit am Tisch. Torsten ist glücklich!

Nach dem Abendessen sind Gabi und ich schon auf dem Weg zum Fahrstuhl als ein Teil unserer Reisegruppe auf die Idee kommt, noch einen kleinen Abendspaziergang zu machen. Da schließen wir uns doch gerne an. Auf dem Weg einmal um die Verkündigungskirche herum kommen wir an einer gemütlichen Kneipe vorbei. Wir müssen nicht lange überlegen und kehren ein auf ein Glas Wein (es gibt auch einen Biertrinker unter uns, der sich allen Missionierungsversuchen souverän widersetzt).

Satt an Eindrücken, Erlebnissen und gutem Essen fallen zufrieden in unser kuscheliges 1a Bett, mit dem Gedanken an das morgige Frühstücksbuffet;)