Sonntag, 10.07.2022                                                                                der siebte Tag

Die Nacht im Auto war nicht wirklich bequem, aber es ging. Irgendwie. Zwingend wiederholen muss ich das nicht. Ich freue mich, heute Abend wieder in einem der beiden Zelte zu schlafen. Noch ahne ich nicht: es wird anders kommen.

Nach dem Frühstück starten wir auf die neue Etappe. "Gabi, willst du heute fahren?" Nee, im Notfall gerne, aber eigentlich sitze ich lieber auf der Beifahrerseite." Ich akzeptiere das großmütig. Gabi ist dafür zuständig für die Navigation. Das bedeutet, das Tripmeter zu bedienen und den Abgleich mit Karte und Roadbook im Blick zu behalten. Das ist nicht ohne. Das Roadbook enthält wichtige Orientierungspunkte, Entfernungsangaben und Anmerkungen zu Straßenbeschaffenheit, Wassertiefe der Furten oder geografischen Besonderheiten. Das Tripmeter misst per GPS die zurückgelegte Entfernung zwischen zwei Punkten sowie die zurückgelegte Gesamtstrecke. Beifahrerin sein ist also ein echt anspruchsvoller Job. Ich dagegen muss einfach nur tun, was Gabi sagt. Ich glaube, das gefällt ihr :)

 

Die F225 führt uns durch eine irre Landschaft. Dass es regnet, zwischendurch sogar hagelt, verstärkt nur den surrealen Charakter der Gegend. Gesteinswüste, schwarzer Lavasand, manchmal denke, so muss es auf dem Mond sein. Die Piste ist mal mit Schlaglöchern übersät und äußerst umsichtig zu befahren, dann wieder fordern tiefe Spurrillen im weichen Lavasand einen gefühlvollen Gasfuß. Bloß nicht zu langsam werden, aber auch nicht plötzlich Gas geben. Wellblechpiste ist hingeggen am besten mit einer konstanten Geschwindigkeit von 60-80km/h zu fahren, so lange kein tiefes Schlagloch im Weg ist. Und du musst höllisch aufpassen, wenn die Bodenbeschaffenheit sich plötzlich ändert. Das ist dann doch ziemlich anstrengend, macht aber ungeheuer Spaß.

Am Anfang begegenet uns kein einziges anderes Fahrzeug. Irgendwann kommt uns einer dieser Reisebusse mit den großen Rädern entgegen. Ich muss mehrmals zurücksetzen bis der Busfahrer mit der Lücke zufrieden ist, die sich ihm bietet. Nach 80km kommen wir wieder auf Asphalt, und was für schon befürchtet hatten, scheint sich zu bewahrheiten. Der Wagen schwimmt bei Bodenwellen leicht auf. Der Stoßdämpfer scheint doch etwas abbekommen zu haben. Die Feder ist nocht in Ordnung, aber Dämpfer ölt und ist instabil. Wie weit wir damit wohl noch kommen? Er fährt ja ;)

 

20km vor Fludir, dort wollen wir auf den Campingplatz, machen wir noch eine kleine Mittagspause. Es gibt Icelandic-Hot-Dog mit Kaffee. €18,- pro Person. Mpfh. Wer behauptet, Norwegen sei teuer, war noch nicht in Island. Das wird mein Standardspruch für diesen Urlaub.

Vor dem Bistro parken drei alte Ural (russische Motorräder mit Beiwagen). Die Jungs aus Thüringen sind im wahrsten Sinne des Wortes mit allen Wassern gewaschen, es regnet nämlich immer noch, nehmen es aber erfreulich gelassen.

 

In Fludir angekommen - ja, es regnet noch immer - hadern wir mit dem Wetter und den Gegebenheiten des Campingplatzes. Wir sind halt nicht so cool wie die Biker mit ihren Urals. Wirklich campen? Im Zelt? Nee! Wieder im Auto schlafen? Entschiedenes Nein meinerseits. Bleibt nur das Hotel. Ein Zimmer wäre noch frei. Kostet auch nur 170 Euro. Dafür haben wir ein Boxspringbett und im Badezimmer eine Tür, die direkt in den Garten und zu den Hot Tubes führt. Wir könnten noch für 32 Euro pro Person das Frühstück dazubuchen. Ja, sind die Irre???!!! Wir beziehen unser Zimmer und gehen schräg gegenüber im Krambudin (= Supermarkt) einkaufen. Das Sortiment ist einigermaßen übersichtlich, wobei die Auswahl an Softdrinks und Chips jene an Obst und Gemüse bei weitem übersteigt. Wir zahlen für sechs Tomaten €12,- und für 200g Käse €10,-. Wer behauptet, Norwegen sei teuer, ...

 

Den Rest des Nachmittags verbringen wir damit, unsere Reiseroute neu zu planen. Um den Stoßdämpfer zu schonen, wollen wir die ganz heftigen Offroadstrecken meiden. Bin gespannt, ob das funktioniert. Aber den Stoßdämpfer vor Ort auszutauschen dürfte fast unmöglich sein. Wir haben ja ein spezielles Fahrwerk verbaut, das auch andere Dämpfer als die serienmäßigen beinhaltet.

 

Nach Abendbrot, das aus Baguette, Butter, Käse und Gurke besteht, und Dusche endet der Abend mit Chips und Bier. Leichtbier aus der Dose. Warum nur haben wir weder Wein noch Whiskey oder Rum mitgenommen? :) Na dann: Gute Nacht!

Am Ende wird alles gut?

Eine Frau taucht auf. Etwa die vermeintlich verstorbene Ua? "Was wollt ihr hier?", fragt sie die illustre Beerdigungsgesellschaft und geht ins Haus. Vebi notiert: "Was geschieht, wenn es dahinkommt, dass glaubwürdige Männer sehen, wie ein Wunder geschieht und eine Frau aufersteht. Die Männer fühlen sich geradezu impotent."

 

Der Deckel des Metallkastens wird geöffnet. Darin befindet sich eine bereits angetaute Stange Eis. In dem Eis steckt ein "außergewöhnlich schöner" Lachs. Ist hier jetzt irgendwer auferstanden? Die "Einstimmungsgruppe" zieht ab. Das war wohl nichts?

 

Die mysteriöse Frau behauptet, sie sei die Pfarrersfrau. Aha? Was sagt der Pfarrer dazu?

 

Zu Vebi sagt sie: " Amerikaner sind Kinder." Sie habe mit Dr. Syngmann in Amerika gelebt. "Amerikaner sind Kinder. Kinder glauben an Revolver und Revolverhelden. Haben Sie bemerkt, dass man, wenn man das Kreuz in der Mitte quer durchschlägt, zwei Revolver bekommt, einen in jeder Hand?"

 

Vebi notiert: "Nichts ist schrecklicher, als wenn ein Christ sich plötzlich als Rationalist wiederfindet.

 

Der Priester beschließt über das Gebirge zu ziehen um beim Wiederaufbau einer maroden Fabrik zu helfen. Die Pfarrersfrau sei nicht seine Frau. "Wer nicht in der Poesie lebt, überlebt hier auf der Erde nicht", gibt er kund.

 

Die mysteriöse Frau gibt Vebi ein Gedichtband. Vebi liest und schreibt: "Darin wird erzählt, wie die Seele nachts ausgeht, um Gott zu begegnen. Dann verbindet sich die Seele mit Gott in der Liebe aller Lieben, die das Licht der Verwandlung selbst ist, das Licht der Lichter."

 

Vebi und die Frau kommen einander näher. Sie zieht ihn in ihren Bann: "Begreifen Sie nicht, dass sie mich erweckt haben? Es ist ihre Schuld, dass ich nach langem Schlaf wieder Regungen verspüre. Jetzt berühre ich deinen nackten Körper."

 

Sie überredet ihn, gemeinsam mit ihr zu ihrem Haus auf Island zu fahren. Vebi fragt sich, warum er sich gerade mit dieser Frau auf den Weg macht. Wegen ihres Mysteriums? Wegen ihres Reichtums? "Wohin fahren wir", fragt er. "Wohin, mein Lieber, wenn nicht ans Ende der Welt.?"

Der Wagen bleibt im Moor stecken. Sie müssen zu Fuß weiter. Und erreichen das Elternhaus der Frau. Sie weist Vebi an, draußen zu warten und verschwindet im Haus. Und kommt nicht wieder. Vebi bekommt Angst. Und flüchtet zu Fuß den Weg zurück, den sie gekommen sind. Er hofft nur noch, die Straße wiederzufinden.

 

"März 1967 bis Juli 1968" steht unter seinem Bericht.