Donnerstag, 14.07.2022                                                                      der elfte Tag

Wir frühstücken "zu unserer üblichen Zeit in unserem "Livingroom", also dem VAUDE-Zelt. Dann starten wir frohgemut Richtung Thingvellir. Heute bleiben wir auf Asphalt, damit wir erstmal ein Gefühl dafür bekommen, wie sich die Kombination der beiden vorderen Stoßdämpfer auf der Straße verhält. Wir werden feststellen, dass sie völlig unauffällig und zuverlässig funktioniert.

Der Thingvellir Nationalpark ist gar nicht so weit von unserem Startpunkt entfernt und ein touristischer Hotspot. Entsprechend viele Menschen sind hier unterwegs. Und zehn Mal so viele Mücken. Die stechen zwar nicht, haben aber einen irren Spaß daran, den Menschen in alle erreichbaren Körperöffnungen zu fliegen. Das Wetter meint es halbwegs gut. Bis auf ein paar Tropfen werden wir vom Regen verschont.

Die Landschaft ist beeindruckend (was auch sonst, wenn mensch sich auf Island bewegt), geformt von der eurasischen und amerikanischen tektonischen Platte, die hier auseinanderdriften. Zunächst machen wir eine kleine Wanderung zum Oxa-Wasserfall.

Nächster Punkt ist die Thingstätte. Hier wurde eines der ersten Parlamente Europas ausgerufen. Thingstätten waren früher ein Versammlungsort, an dem politische Verhandlungen geführt und Recht gesprochen wurde. Heute steht an dieser Stelle eine Kirche, weil, ebenfalls hier, die evangelische Kirche zur Staatskirche erklärt wurde. Das ging, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, allerdings nur mit dem Kompromiss, dass die isländischen Bürger:innen ihre "heidnischen" Bräuche im privaten Rahmen weiterhin pflegen durften. Ach, Staatskirche ist irgendwie ein Widerspruch in sich. Wo Kirche und Staat eine enge Bindung eingehen, kommt selten etwas Gutes heraus.

Wir kommen noch an einem Ort vorbei, wo 100 Touris sich in Neoprenanzüge zwängen und in kleinen Gruppen von einem Guide begleitet schnorcheln dürfen. Für uns ist das nichts. Stattdessen wandern wir noch ein wenig durch die schöne Landschaft, die ohne Mücken und 1000 Touris natürlich viel schöner wäre, und fahren dann weiter.

 

Heute geht es nordwärts. Bis Varmahlid wollen wir kommen. Ursprünglich wollten wir auf kleinen Pisten übers Kerlingarfjöll schon vor zwei Tagen dort angekommen sein, um dann etwas westlich durchs Hochland wieder Richtung Süden zur Askja zu fahren. Aber das hat der defekte Stoßdämpfer erfolgreich verhindert. Nun werden wir uns vermutlich für den Rest der Reise im Norden der Insel bewegen und auf asphaltierten Wegen. Obwohl ... 

 

Wir fahren an Fjorden vorbei, das Meer immer mal wieder in Sichtweite, an einem Wildwasserfluss entlang, und da wir Zeit haben, entschließen wir uns, noch einen "kleinen" Umweg zu machen. Die Straße 47 am Hvalfjördur entlang, bzw. ein Mal drumherum verspricht, eine schöne Strecke zu werden. Der Fjord reicht tief ins Land hinein und bietet tolle Ausblicke.


Auf der anderen Seite des Fjordes kommen wir nach Saurbaer. Dort steht die Hallgrimskirkja. Im 15. Jahrhundert hat der in Island berühmte Pfarrer und Poet Hallgrimur Petursson hier gewirkt. Er hatte in Kopenhagen Theologie studiert und ist Autor der Passionspsalmen, die noch heute zu Ostern im Radio gelesen werden. Sie sind allerdings recht umstritten, weil wohl nicht frei von Antisemitismus.

Wir fahren weiter gen Nordwest und machen in Borganes eine Kaffeepause. Für Gabi gibt es einen Sprengisandurkuchen und für mich eine Rumkugel. Die Sprengisandur ist eine Moränenlandschaft mitten im Hochland und die gleichnamige Piste die längste ihrer Art in Island. Eigentlich ... ach ja ....

Der Campinplatz in Varmahlid entpuppt sich als der bislang komfortabelste unserer Reise. Viele schöne Stellplätze, Bäume, die vor dem Wind schützen (wir schlafen tatsächlich mal wieder im Dachzelt), eine saubere und wirklich geräumige Dusche, und ein Gemeinschaftsraum mit Kochplatte und Wasserkocher. Was will mensch mehr?

Ich mache einen Linsen-Gemüse-Eintopf, dazu ein Butterbrot und Früchtetee, und wir sind zufrieden. Anschließend beugen wir uns über die ausgebreitete Karte um ebenso ausgebreitet zu diskutieren, wie die weitere Reise verlaufen soll. Ein Geysir wäre nett (den großen im Süden haben wir verbaselt). Kurz hinterm Myvatn ist in der Karte einer verzeichnet. Husavik im Norden wäre eine Option. Dort gibt es Walsafaris. Will ich das nach der Erfahrung in Norwegen??? Puffins gucken, ganz im Nordosten und eine Wanderung in einer ganz tollen Gegend war eine Empfehlung der "Experten", die wir auf dem zweiten Campingplatz getroffen haben. Wir könnten auch von Mödrudalur aus versuchen, die Askja aus nördlicher Richtung zu erreichen. Die ursprünglich geplante Route dorthin über die F910 haben wir nicht nur wegen ihrer schwierigen Beschaffenheit gecancelt, sie ist ohnehin zurzeit gesperrt. Viele Optionen, keine rechte Entscheidung; die werden wir wohl erst morgen treffen. Im Zweifel unterwegs :)