Die Rückfahrt

Donnerstag, 21.07.2022

Um 6:30 stehen wir auf und machen uns etwas frisch, klappen das Zelt ein und fahren zum Check-In der Smyril-Line. Die Rucksäcke mit allem, was wir für die Fähre brauchen, haben wir gestern schon gepackt. Auch unser Frühstük haben wir bereits gestern vorbereitet: Müsli aus der Brotdose. Schnell noch die Thermoskanne mit heißem Wasser für Gabis Instantkaffee gefüllt, so sind wir für die Wartezeit zwischen Check-In und Boarding gut gerüstet.

Wir stehen auf Line 8 und frühstücken. Und warten. Die Fähre ist noch nichtmal in Sichtweite.

Trotzdem werden bereits alle Fahrzeuge kontrolliert. Es dürfen nämlich lediglich die Fahrer:innen der jeweiligen Fahrzeuge auf die Fähre fahren. Alle anderen werden mit Bussen zum Terminal fürs "Fußvolk" gebracht. "Tschüß Gabi!" Und schon bin ich allein. Na ja, nicht wirklich allein, aber ohne meinen geliebten Schatz. Schnief ;)

Gabi schreibt zwischendurch: "Die Polizei geht hier gerade mit Suchhunden durch." Na, hoffentlich sind die nicht auf Schokolade abgerichtet!

Eine gefühlte Ewigkeit später geht es endlich los. Also mit dem Boarding. Bis wir in der Kabine sind, das erfordert noch etwas Geduld. Aber die haben wir ja. Nach einem solchen Urlaub ist der Mensch tiefenentspannt.

Wir beobachten das Ablegemanöver und die Fahrt aus dem Hafen: Ein letzter Blick auf dieses faszinierende Land.

Dann ist es Zeit für unser mitgebrachtes Mittagessen: Pumpernickel (nicht schlecht), Möhren und Gurke (gesund), Brie (geht), veganer Scheibenkäse (eine echte Herausforderung). Ein Nachmittagsschläfchen und schwups ist es Zeit für das gebuchte Abendessen in einem der Bordresturants. Wir essen zu viel und zu schnell. Da braucht es zum Abschluss des Abends noch einen Akvavitt aus dem Duty-Free-Shop.

Freitag, 22.07.2022

Aufstehen. Frühstücken. Dösen. Lesen. Mittagessen (wir teilen uns eine Pizza). Dösen. Tour de France gucken. Dinner mit zu viel Essen. Ein Akvavitt, oder zwei.

Morgen Vormittag werden wir in Dänemark sein. Morgen Abend in Aurich. Denken wir jetzt noch.

Samstag, 23.07.2022

Wir genießen ein letztes Frühstück im Restaurant. Um 11:30 legt die Fähre in Hirtshals an. Nicht lange danach verlassen wir das Schiff und fahren erstmal ein Stück. Irgendwann müssen wir tanken. Neben der Tankstelle gibt es einen kleinen Shop. Wir kaufen je einen Nudelsalat und machen eine kleine Mittagspause. Dann geht es weiter.

 

Wir haben 2/3 von Dänemark durchquert als irgendwas am Auto klappert. Bitte nicht schon wieder ein Stoßdämpfer! Gabi hat das Dachzelt im Verdacht. Plötzlich wird das Auto immer langsamer. Das kann weder am Dachzelt noch an einem Stoßdämpfer liegen. Die Motorkontrollleuchte beginnt zu blinken. Der Motor geht aus. Aus der Motorhaube qualmt es. Wir sind auf Höhe der Ausfahrt nach Horsens. Mit dem letzten Schwung schaffen wir es von der Autobahn runter auf die Ausfart, dann ist Schluss. Oh nein, hoffentlich ist nicht der Motor hinüber.

Ich telefoniere mit dem ADAC. Die werben ja mit ihrem tollen Service, den ich in den letzten 40 Jahren kaum beansprucht habe. Jetzt bin ich gespannt wie das mit Hotelübernachtung und eventuell Rücktransport wird. Was ich jetzt noch nicht ahne: es soll uns nicht nur Tage, nicht Wochen, sondern Monate beschäftigen.

Aber erstmal wird ein Abschlappdienst für uns geordert. Eine gute Stunde stehen wir im Regen, bis der Wagen kommt. Wie gut, dass alle Dänen perfekt englisch sprechen, denke ich. Denn mein Englisch ist bekanntlich eher eingeschränkt und meine Dänischkenntnisse beschränken sich auf das Wort "Danke". Der junge Mann, der uns abschleppen soll, stammt zwar aus Dänemark, spricht aber leider trotzdem so viel Englisch wie ich Dänisch. Mit Hilfe des Google-Translators geht es leidlich. Er zieht unseren Suzuki auf den Truck und bringt uns nach Horsens zu einer Suzuki-Vertragswerkstatt. Mitten im Industriegebiet lädt er das Auto ab und verabschiedet sich.

Da stehen wir nun! Ich telefoniere wieder mit dem ADAC. "Ja, die Kollegen melden sich bei Ihnen, um die weiteren Leistungen des ADAC mit Ihnen zu besprechen." Die Kollegen melden sich nicht. Ich rufe wieder an. "Ja, es ist Wochenende, da können Sie eh nichts machen. Ich sage Ihnen mal zwei Übernachtungen zu. Das Hotel darf aber nicht mehr als 85 Euro pro Person kosten. Frühstück übernehmen wir nicht. Der Rücktransport des Fahrzeugs wird nur übernommen, wenn die Werkstatt den Wagen nicht innerhalb von drei Tagen reparieren kann und es kein wirtschaftlicher Totalschaden ist. Die Kosten für einen Mietwagen würden wir nur bis 500 Euro übernehmen." Ich bin begeistert von dem Service des ADAC! Das Hotel, Gabi hat das bereits recherchiert, wird 173 Euro pro Nacht kosten, ein Mietwagen bis Aurich, wenn wir ihn brauchen, gut 1000 Euro.

Wir buchen online ein Hotel, Gabi versucht, ein Taxi zu ordern. Natürlich gerät sie an eine Ansage vom Band. "Wenn Sie .... wollen, drücken Sie die 1. Wenn Sie ...  alles auf Dänisch. Keine Chance zu verstehen, welche Taste jetzt die richtige wäre. Gabi ruft im Hotel an und bittet, uns ein Taxi zu schicken.

Der Taxifahrer kann nicht nur genauso gut Englisch wie der Mann vom Abschleppdienst, er ist auch ein wenig mit der Bedienung seines Navis überfordert, geschweige denn, dass er wüsste, wo das Hotel ist. Und Horsens ist wirklich nicht groß. Wir wollen so wenig Dinge wie möglich im Auto lassen und nehmen mit, was wir tragen können. Unser Hotelzimmer liegt natürlich im obersten Stockwerk. Egal. Wir suchen noch eine halbwegs bezahlbare Pizzeria und essen etwas, dann geht es ins Bett. Uff!

Sonntag, 24.07.2022

Nach dem Frühstück laufen wir ins Industriegebiet zu unserem Auto. Ob es wohl noch da ist? Ist es. Unversehrt! Im Internet stand, dass der Showroom am Sonntagvormittag geöffnet sei. Zumindest in der Ferienzeit ist das wohl nicht so. Alles ist dunkel, alle Türen verschlossen.

Dafür hat der Supermarkt geöffnet. Wir kaufen ein und bestellen im angegliederten Schnellimbiss etwas zu essen. Die Bezeichung Schnellimbiss verdient die Einrichtung nicht wirklich. Ein solch langsam arbeitendes Personal habe ich noch nicht erlebt. Der Verkäufer aus dem Supermarkt gibt das Warten auf seine Bestellung schließlich auf. Seine Pause ist um.

Irgendwie bringen wir auch den Rest des Tages rum.

Montag, 25.07.2022

Um 7:00 sitzen wir beim Frühstück. Es fällt kurz aus. Wir wollen so früh wie möglich bei der Werkstatt sein.

Der freundliche junge Mann in der Reparaturannahme hat den Vitara schon gesehen. Er spricht fließend Englisch und rückt mein Bild, dass in Skandinavien ausnahmslos alle Menschen besser Englisch sprechen als, ich wieder gerade :) Für eine Schadensdiagnose hätte die Werkstatt in dieser Woche leider keine Zeit, erklärt er. Nicht mal kurz reinschauen? Leider nein.

Also rufe ich mal wieder beim ADAC an. Meine neuesten Angaben werden aufgenommen. "Die Kollegen werden sich in den nächsten 30 bis 60 Minuten bei Ihnen melden, um alles Weitere zu besprechen", höre ich. Das kennen wir schon. 


Wir dürfen uns im Verkaufsraum einen Kaffee nehmen und dort warten. Die Kollegen des ADAC rufen natürlich nicht zurück. Ich rufe also wieder an. Natürlich erreiche ich jedes Mal eine andere freundliche Person. "Ah ja, hier habe ich Ihre Akte. Sie haben einen Kupplungsschaden." Äh, nein!? Habe ich nie behauptet. Der Motor springt nicht an. Aber die Werkstatt hat in dieser Woche keine Möglichkeit, nach der Ursache zu suchen." "Oh. Um den Rücktransport einzuleiten benötigen wir eine Aussage der Werkstatt, dass kein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt." "Eben dazu hat die Werkstatt keine Zeit!?" "Ach so. Ja dann. Ich darf das leider nicht entscheiden. Ich gebe es weiter und die Kollegen melden sich"!

Beiße ich ins Telefon oder schmeiß ich es durchs Fenster? Die Kollegen melden sich natürlich nicht. Ich rufe also selbst wieder an. Jedes Mal dieselbe Prozedur. "ADAC Auslandsschadenmeldung. In welchem Land benötigen Sie Hilfe?" "Dänemark." "Einen Moment, ich verbinde". "Zufälligerweise lande ich bei derselben Mitarbeiterin, die ich beim vorigen Telefonat dran hatte. Seltsamerweise ist sie diesmal sehr wohl befugt, uns die nötigen Leistungen zuzusagen. "Sie sind noch im Urlaub und wollen am 30.07. wieder in Aurich sein?" "Äh, nein! Wir sind auf der Rückreise." Das hatte ich bislang bei jedem Telefonat erwähnt! " Ah. Wir können Ihnen eine Bahnfahrt, sogar 1. Klasse, nach Aurich organisieren." "Wir waren im Campingurlaub und haben unser Gepäck in mehreren Kisten verpackt. Für eine Bahnfahrt mit 5x Umsteigen ist das reichlich unpraktisch". "Dann organisieren wir einen Mietwagen für Sie und schicken Ihnen ein Angebot. Die Kollegen ..." "Stopp!!!!. Lassen Sie mich den Mietwagen bitte selbst organisieren. Eine Filiale von Europcar ist nur 200m entfernt und hat laut Internet Fahrzeuge zur Verfügung." Ein Stein fällt mir von der Seele, dass die freundliche Dame vom ADAC dem zustimmt.

 

Wir verabschieden uns von dem freundlichen jungen Mann in der Reparaturannahme, lassen Autoschlüssel und Zulassungsbescheinigung dort, was für den Rücktransport nötig ist, und gehen zu Europcar.

Auch hier empfängt uns ein freundlicher junger Mann. Tja, dass Fahrzeuge online als verfügbar angezeigt würden sei leider keine Garantie dafür, dass sie vor Ort auch tasächlich vorhanden wären. Es täte ihm wirklich leid, aber er könne uns kein Fahrzeug anbieten. Wir wollen schon völlig deprimiert die Filiale verlassen, als er uns zurückhält. "Ach, sie wollen ja nach Deutschland. Ich habe hier noch einen T-Cross aus Deutschland, der ohnehin zurück muss. Den kann ich Ihnen anbieten!" Jipiiiiieeh!!!

Statt bis nach Aurich buchen wir das Auto nur bis Flensburg. Das kostet statt 1000 Euro nur 460,-. Ein Fahrzeug von Flensburg bis nach Aurich kostet dann nochmal etwa 200 Euro. Das sind immer noch mehr als die 500,-, die der ADAC übernimmt, aber wir sparen fast 400 Euro.

Wir fahren zu unserem Vitara und laden alles, was noch im Auto ist um; dann zum Hotel und das Gepäck eingeladen - und das Auto ist hinter den Vordersitzen und im Kofferraum bis unter die Dachkante voll. Ich rufe Europcar Deutschland an und buche in Flensburg ein ähnlich großes Auto. Freue mich schon aufs Umpacken :)

Auch in Flensburg werden wir freundlich empfangen. Der Mitarbeiter von Europcar schaut sich den T-Cross an. "Wissen Sie was?", sagt er nach einem Blick in das Innere des Wagens, "Irgendwie bekommen wir das hin, dass sie einfach mit diesem Fahrzeug weiterfahren können. Ich muss es nur erst als abgegeben buchen, und es Ihnen dann erneut geben. Dauert ein wenig, geht aber definitv schneller als Ihre Sachen alle umzupacken." Ich strahle wie ein Honigkuchenpferd (woher kommt dieser Ausdruck eigentlich?)

Am frühen Abend kommen wir völlig erschöpft in Aurich an. Ich habe Kopfschmerzen und bin zunehmend fiebrig. Vorsichtshalber mache ich einen Corona Selbsttest. Positiv. Das fehlte noch. Ich hatte ja gehofft, dass dieser Urlaub viel zu bieten hatte. Aber so viel? Die Geschichte mit dem ADAC zieht sich übrigens noch über Monate. Bis unser Fahrzeug zurück in Deutschland ist, werde ich unzählige weitere Telefonate mit dem ADAC geführt haben. Aber das ist eine andere Geschichte. Wenn ich die hier erzähle, bekomme ich schlechte Laune. Es soll November werden, bis das Auto wieder in Deutschland ist und alle ausgelegten Zahlungen vom ADAC erstattet wurden.

 

Das war wirklich ein aussergewöhnlicher Urlaub. Noch nie durfte ich eine solch faszinierende Landschaft erleben. Dass es möglich ist, solche Gegenden mit dem Auto zu befahren, erfüllt mich mit Demut. Und mit Respekt gegenüber den Menschen, die dies möglich machen. Um so wichtiger, sorgsam mit dem umzugehen, was uns da gegeben ist. Vielleicht kommen wir nochmal nach Island, dann womöglich im Allrad-Camper-Van? Schön wäre das, aber mensch sollte das Glück nicht überstrapazieren. Es gibt noch so viele spannende Länder, in denen ich nicht gewesen bin ... :)