Mikro-Abenteuer Harz                                             vom 12.05. bis 16.05.2021

Vorarbeiten

Vermutlich ist Corona schuld. Warum sonst sollten zwei begeisterte Motorradcampende auf die Idee kommen, es mal mit einem Dachzelt zu probieren. und im Sommer mit E-MTBs gleich 2x über die Alpen zu kurven.

Schon im Herbst letzten Jahres begann die Recherche. Der Fahrradmarkt war nahezu leergefegt. Die Mindestanforderungen an die Fahrräder stiegen je mehr wir uns damit beschäftigten. Und letztlich musstest Du im November 2020 nehmen, was zu kaufen war - und das war natürlich deutlich teurer als geplant. Aber es hat sich gelohnt. Unsere neuen Bikes begeistern uns bei jeder Fahrt, egal ob in der Stadt, im Gelände oder auf der ausgedehnten Tour durch ostfriesische Weiten.

 

Auch das Auto sollte einen gründlichen Umbau über sich ergehen lassen. Einfach ein Dachzelt oben drauf? Nee, nicht mit Torsten. Schließlich stehen noch Skandinavien im Winter und Island im Sommer auf der Wunschliste. Da braucht es eine anständige Ausrüstung: Dachgepäckträger, Zelt und diverse Zusatzbeleuchtung. Die muss natürlich aus dem Innenraum bedienbar sein. Also: Dachhimmel runter, Loch ins Dach, Schaltkonsole bauen, Kabel verlegen, ....

Irgendwann ist es geschafft. Na ja halbwegs. Aber zum Start in den Harz bin ich so weit gekommen, dass wir im Zelt schlafen können, die Markise funktioniert und kochen können wir auch.

Mittwoch, 12.05.2021 - Der erste Tag

12:30. Es ist alles gepackt.Gleich müsste dhl kommen und die bestellten Protektoren bringen. Gerade noch habe ich den gelben Bulli am Ende der Straße gesehen, jetzt ist er weg. Wir fahren ihm entgegen. Da ist er wieder. Die freundliche junge Frau übergibt uns nach Prüfung des Personalausweises (sehr gut) das heiß ersehnte Paket. Die Nachbarin wünscht einen schönen Urlaub. Wir fahren los. Bei strahlend blauem Himmel.

Vier Stunden später werden wir auf dem Campingplatz in Bad Harzburg freundlich empfangen. Bei feinstem Nieselregen. So haben wir uns das gewünscht :)

 

Der Campingplatz "Die Wölfe vom Wolfsstein" ist ein kleiner, von einem Verein geführter Platz. Meine Hoffnung, dass er nicht so überlaufen ist wie vermutich die größeren Plätze, bestätigt sich. Der Platz ist ordentlich und sauber, die Menschen freundlich. Das war eine gute Wahl.

 

Wir stellen das Auto auf den reservierten Platz, der durch den Regen leider schon gut aufgeweicht ist. Wir nehmen die Fahrräder vom Auto und klappen das Zelt auf. Klappt alles prima. Bis wir die Stangen zum Abspannen des Überzeltes auf der Seite der Markise einschieben wollen. Als da noch keine Markise war, klappte das wunderbar. Jetzt ist selbige im Weg. Sch... Die Apsis auf dieser Seite liegt jetzt auf dem Schlafzelt. Bei Regen gar nicht gut. Aber nicht zu ändern.

Beim Ausfahren der Markise stellen wir einen weiteren Nachteil fest: Zwischen Markise und Auto ist ein Spalt. Das freut den Regen, der fröhlich genau hier durch die offene Tür seinen Weg ins Auto findet. Super.

 

Gabi bekommt Migräne und ich verliere jede Lust aufs Kochen. Kein guter Start in den Urlaub. Gabi verzieht sich ins Zelt, ich mich ins Auto. Das letzte Brot und zwei Bananen müssen fürs Abendessen reichen. Um 21:00 liegen wir 


in den Schlafsäcken. Hoffentlich wird das morgen besser. Sonst kaufe ich nächstes Jahr einen Campingbus!

Donnerstag, 13.05.2021 - Der zweite Tag

Es wird dann doch noch 10:00 bis wir loskommen. Gabis Kiox geht nicht an. Aber Gabi ist ja tough und fährt das erste Stück ohne Motorunterstützung. Okay, die erste richtige Steigung (locker 15%)  zwingt sie in die Knie. Den Gedanken, dass ich es so nicht mal bis hierhin geschafft hätte, behalte ich lieber für mich. Stattdessen öffne ich lovial die Akkuabdeckung und mache mich fachmännisch auf die Suche nach dem Fehler; bzw. ich tue so. Ein präziser Blick, ein wenig Geruckel am Akku und ich vernehme Gabis Jubelschrei: "Geht wieder!" Dann steht ja unserer Tour nichts mehr im Wege. 56km ist die geplante Länge mit ordentlich Höhenmetern und teils heftigen Wegen. Aber sowohl das als auch, dass es am Ende 66km sein werden, ahnen wir jetzt noch nicht. Wie gut :)

Ohne Motor wären wir womöglich keine 10km weit gekommen. Mit ist es immer noch anstrengend genug. Heftige Steigungen und Gefälle, Singletrails der Kategorie 1 und 2 - Freaks fahren das zum Aufwärmen - es macht total Spaß, und es ist echt anstrengend. Ich bekomme Respekt vor den Entfernungen und Höhenmetern, die uns in den Alpen bevorstehen.

Wir machen mehrere kleine und eine große Pause. In Hahnenklee schauen wir uns die Stabkirche an. Auf Goslar schauen wir von oben herab (natürlich nur geografisch), und in Harzingerode wundern wir uns, dass Bad Harzburg noch 10km entfernt liegt, obwohl wir schon mehr als 50km gefahren sind. Okay, ein paar Kilometer sind wir falsch gefahren, trotz Navi oder weil die gewählte Strecke gesperrt war. Aber 10 nicht eingeplante Kilometer sind schon erstaunlich. Wenn uns das in den Alpen passiert ....

Um 17:30 trudeln wir auf dem Campingpatz ein. Total erschöpft.

Gabi versucht noch, eine Busverbindung für morgen nach St. Andreasberg zu finden. Vergeblich. Wir werden das Auto nehmen müssen. Das heißt, alles einpacken, Fahrräder aufladen, früh aufstehen! Wir haben dort ein MTB-Training gebucht. Nur für uns zwei. Ganz schön dekadent :)

Irgendwann gehen wir duschen, ich koche Pasta mit Geschnetzeltem und Sahnesoße; wir trinken noch einen Kaffee, aber das hilft auch nichts mehr. Abwaschen, aufräumen, Zähne putzen, um 21:40 liegen wir im Bett. Im Auto laden noch die Akkus ....

Freitag, 14.05.2021 - Der dritte Tag

Wir stehen gar nicht so spät auf. Und trotzdem wird es am Ende eng. Der Reißverschluss vom Dachzelt verklemmt sich im Zeltstoff. Wir schließen es provisorisch. Wir müssen los. Hoffentlich kommt kein Regen rein. Wir sind schon spät. Schnell noch die Räder auf den Träger und los. Klar, wir irren erstmal durch Bad Harzburg, weil das Navi uns durch die 30er Zone schicken will. So ein Quatsch. Ist nicht schneller und stört unnötig die Anwohner. Um 9:30 sind wir noch nicht dort, wo wir sein sollten. Ich rufe Jan an, unseren "Personal Trainer" für heute. "Macht euch keinen Stress. Wir hängen die verlorene Zeit einfach hinten dran." Super entspannter Typ, der Jan. Der ist mir jetzt schon sympathisch. Wir treffen uns schließlich auf dem vereinbarten Parkplatz.

Bevor wir die Strecken im Bike-Park unsicher machen können, muss ich erstens mein Kiox finden und zweitens müssen wir einen "Unter-Aufsicht-Selbsttest" machen. Dann geht es los. "Erstmal warm rollen", sagt Jan. Bei 10% Steigung auf Kies bin ich nach 20m warm! Dann jagt eine Übung die nächste. Drei Stunden lang. Puh. Grundposition. Aktive Position. Kurven fahren. Enge Kurven fahren. Flowtrails mit und ohne Wurzeln. Am Berg anfahren. An Steilpassagen bergab notbremsen, bzw. "absteigen". Enge steile Kehren fahren. Schnelle Kurven fahren ... die andere Hälfte habe ich vergessen :)

 

Aber saugeil war's!!!

 

So saugeil, dass weder Gabi noch ich auf die Idee gekommen sind, Fotos zu machen. Und es war ein echter Gewinn für unsere Tour im Sommer. Wie sehr, dass werden wir schon am nächsten Tag zu spüren bekommen. Aber das ahnen wir natürlich jetzt noch nicht. Ein großes Danke an Jan, von trailtech. Du warst Dein Geld echt wert. Und Du bist nicht nur ein netter Typ, sondern auch ein toller Trainer. Bißchen weniger reden vielleicht ;)

Räder und Klamotten sind mal wieder herrlich eingesaut und wir total glücklich. Jan gibt uns noch ein kleines Gastgeschenk der Touristinfo mit, je zwei Likörchen. Eins gibt's nach dem Abendessen.

 

Auf dem Rückweg kaufen wir noch ein, und zurück auf dem Campingplatz "entklemmen" wir zunächst mal den Reißverschluss vo Zelt und richten uns wieder häuslich ein. Vorher gibt es noch einen Salat mit Brötchen und nachher einen Kaffee mit einem riesigen Stück Kuchen. Jetzt noch duschen, dann ist es Zeit fürs Abendessen: Gnocchi (300g - pro Person!) mit Tomaten und Sahnesoße. Sonst koche ich eigentlich nie mit Sahne; ehrlich :) Laut Gabis App haben wir gestern über 3000 Kalorien verbraucht. Da darf mensch auch mal ein wenig mehr essen. Gut, heute waren es nur 900 Kalorien. Pro Person natürlich. Egal.

 

Über den Tag hat es übrigens immer mal wieder geregnet. Heute hat uns das nicht gestört und jetzt scheint die Sonne. Oh, Gabi schreit nach Essen. Also hopp, Torsten. Morgen stehen 70 Offroad-Kilometer an. Da müssen wir früh ins Bett :)

Samstag, 15.05.2021 - Der vierte Tag

Wir starten früh. Tatsächlich :) Pünktlich um 9:00 nehmen wir die geplanten 70km in Angriff. Ob wir das schaffen? Die letzten beiden Tage waren nicht ohne. Und wir merken schnell, dass die 70km uns mächtig fordern werden. Die Route, die ich erstellt habe, ist dermaßen anspruchsvoll, dass wir uns ständig über das gestrige Training freuen. Vertiefung par excellence. Alle 15 Minuten fällt der Satz: "Ohne Jans Übungen hätten wir das hier nicht gemeistert!" Höhepunkt ist der Pionierweg. Ein total verblockter Weg, der uns am Ende sogar zu einer Bachdurchquerung führt. Das volle Programm :) Der Bach ist nur zu überwinden, indem wir ein paar große Felsbrocken nutzen, die im Bachbett liegen. Kein einfaches Unterfangen und nur gemeinsam zu schaffen. Wir bringen erstmal das Gepäck nach drüben. Dann kommt das erste Fahhrad. Ich rutsche. Fast lande ich samt Fahhrad im Wasser. Wenn jetzt das Kiox abgegangen wäre ... aber wir schaffen es. Wow, sind wir gut.

50 Meter weiter müssten wir laut Navi rechts abbiegen. rechts abbiegen? Nee, das ist nun wirklich kein Weg; nur Dickicht. Und nun? Fahren wir halt links. Anders geht es nicht weiter. Na super, der Weg führt uns direkt dorthin, wo wir heute schon mal waren. Blöd. Zwischendurch hatten wir noch ein längeres Stück, wo wir schieben mussten. Wir beschließen, statt die geplante Route zu suchen, einfach einem Wegweiser zum Brocken zu folgen. Derer gibt es zwei: einen mit 4,5km Länge, der andere 9km. Wir nehmen natürlich die 9km. Wir ahnen ja noch nicht, was da auf uns zukommt!

Zunächst ein breiter Schotterweg mit mittlerer Steigung und die beiden jungen Männer vor uns mit ihren "Normalen" MTBs tun uns fast leid. Aber das soll sich bald ändern. Wir machen erstmal eine kleine Pause, damit wir sie nicht überholen und demoralisieren ;)

Aus dem Schotterweg wird schon bald ein Singletrail und schließlich ein Bachlauf. Zunächst ist er noch mit Mühe zu fahren, aber recht bald wird er so verblockt und dann völlig matschig, dass wir nur noch schieben können. Und am Ende geht es mitten durch den völlig aufgeweichten schlammigen Boden auch noch irre steil nach oben. Die beiden Jungs von vorhin brechen gerade von ihrer Pause auf, schultern ihre MTBs und blicken voll Mitleid und Sorge auf unsere schweren E-MTBs. Ob sie uns helfen sollen, fragen sie. "Och nee, wir probieren es erstmal alleine. Aber wenn ihr oben warten mögt, und evtl. zu Hilfe eilt, das wäre nett." Gabi schafft es recht gut die Böschung hinauf. Ich mit Mühe. Warum ist jetzt meine Hose so matschig? :)

Wir haben zwar mehrere kleine Pausen gemacht, und der "direkte" Weg zum Brocken hat uns am Ende 30km erspart, aber wir sind auch so völlig erledigt. Dann empfängt uns der Brocken auch noch mit Wind, Kälte, Regen und Hagel. Da steigt die Laune! :)

 

Als die Sonne wieder da ist, fahren wir weiter. Für eine längere Pause ist es hier zu ungemütlich. Die Gastronomie hat geschlossen, bietet noch nicht einmal etwas "to go" an.

Gabi mahnt vorsichtshalber an, dass sie so ganz und gar keine Lust auf meine geplante Route hat. "Bitte auf dem direkten Weg nach Bad Harzburg." Wir folgen dem Wegweiser und ich verschweige, dass dies der geplante Weg ist ;)

Wir befahren den ehemaligen Grenzweg, eine Holperstrecke aus löchrig gesetzten Steinplatten - absolut steil - bergab. Auch anstrengend.

An der nächsten Schutzhütte empfängt uns der nächste Hagelschauer. Die Hütte ist natürlich zu und ein Häufchen Radler und Wanderer drückt sich in die halbwegs vor dem Nass schützenden Ecken.


Wir warten geduldig auf die Sonne. Dann geht es weiter, brav dem Wegweiser folgend. Hilft aber nix. Wieder ein verblockter Weg, übersät mit Baumwurzeln. Ich fabriziere den zweiten Sturz des Tages; der erste ging auf Gabis Konto. Habe übrigens schon zwei Mal mein Kiox aus der Halterung katapultiert. Und der Sturz scheint meiner Schaltung nicht bekommen zu sein. Sie wählt ihre Gänge jetzt selbstständig. Noch ahnen wir nicht, dass auch Gabi am Ende der Tour ein wichtiges Teil an ihrem Rad vermissen wird.

Kurz vor Bad Harzburg kommen wir an einem offenen Imbiss vorbei. Zwei Kaffee und zwei Kuchen. Das tut gut.

Erleichtert rollen wir auf den Campingplatz - und stellen fest, dass der Wind unserer Markise eine neue Funktion als Sonnenschutz fürs Autodach zugewiesen hat. Eine der Stangen ist dabei aus dem Gelenk gebrochen. Wir hätten wohl doch die Abspannleinen benutzen sollen? Das tun wir jetzt - und finden in dem Beutel mit den Leinen und Häringen sogar das nötige Ersatzteil. Die Bruchstelle ist nämlich eine "Sollbruchstelle". Praktisch :)

Also alles im Lot. Na ja, fast. Gabi inspiziert ihr Fahrrad. Da fehlt doch was? Oh shit, die Fahrradlampe samt Halterung ist irgendwo auf dem Track verloren gegangen. Gut, dass wir heute nicht mehr im Dunkeln fahren müssen ;)

Der nächste Regenschauer kündigt sich an. Gabi geht duschen. Ich schreibe zuvor noch Tagebuch, dann gehe ich auch duschen. Ich brauche ja nicht so lange :)

Dann geht es ans Kochen: Pasta mit Pesto und Zwiebeln. Dazu ein alkoholfreies Bier, ein Likörchen (von Jan). Vielleicht noch was zu Knabbern? Damit wir morgen früh pünktlich loskommen, räume ich noch ein wenig auf und packe die Sachen, die wir nicht mehr brauchen.

Gute Nacht!

Sonntag, 16.05.2021 - Der fünfte Tag

Um 9:30 sind wir schon an der Lutherkirche in Bad Harzburg. Ich hatte uns bereits von Zuhause aus angemeldet. So ein Gottesdienst am Sonntagmorgen in einer fremden Kirche ist doch ein netter Abschluss des Urlaubs. Viele Menschen sind es nicht, die den Weg in die Kirche finden. Der Kantor und eine Sängerin tragen die Lieder vor. Der Gottesdienst ist einfach gehalten, sicher kürzer als üblich. Als ob es die Pastorin gewusst hätte, woher wir gerade kommen, hat sie ein passendes Thema für ihre Predigt gewählt: Camping. Spannenderweise beginnt sie mit der Aussage, dass sie selbst keine Camperin ist. Merkt man auch. Ich denke mal wieder, dass es einfach ungeschickt ist, den Predigttext zu einem Alltag in Bezug zu setzen, zu dem der/die Predigende keinen eigenen Zugang hat. Das kann nur oberflächlich und klischeehaft werden. Schade. Aber die Musik hat mir gefallen ;)

 

Ein wenig erschöpft aber glücklich kommen wir Zuhause an. Und das Fazit?

Es hat irre Spaß gemacht. Das Training mit Jan im Gelände war Gold wert; das hat uns echt nach vorne gebracht. Und die Tour am nächsten Tag hat uns viele Möglichkeiten beschert, das Gelernte zu vertiefen.

Wir werden weiter üben und im Sommer - hoffentlich - uns der großen Herausforderung stellen, zwei Mal die Alpen zu überqueren. Ich habe immer noch großen Respekt vor diesem Unternehmen, und genauso viel Vorfreude. Es wird uns an Grenzen führen, vielleicht auch darüber hinaus. Aber wir können das schaffen. Für uns wird das ein echtes Abenteuer werden.

Mal wieder bin ich total begeistert, was mit Gabi zusammen so alles geht.