Wer hoch steigt, radelt tief
Dominikushütte - Rastnerhütte
74,0km - h6:16 - 2830 Höhenmeter - 2720 Tiefenmeter
12,3km Singletrail
39,0km Weg
1,2km Fahradweg
21,3km Straße
7,1km alpines Gelände
10%-66% Steigung/Gefälle
Aufstehen um 6:30. Die Wäsche liegt tatsächlich gewaschen und getrocknet im Speisesaal. Toller Service. Dafür ist das Frühstück recht übersichtlich (um es höflich zu formulieren) und nicht mal eine Schnitte Brot pro Person dürfen wir als Lunchpaket mitnehmen.
Wir starten pünktlich um 8:00 zur heutigen Etappe. Zum ersten Mal soll es ins alpine Gelände gehen. Und wie alpin das wird, werden wir schon ein paar 100 Meter nach dem Start feststellen.
Mit uns starten zwei Frauen und ein Mann. Die drei fahren ziemlich einfache Räder und wir lassen sie schnell hinter uns. Aber das Schmunzeln darüber soll uns nur allzu schnell vergehen. Stoppen wir nach 200m noch für einen schönen Wasserfall, verlassen wir nach ca. einem Kilometer den Weg am Schlegeissee und biegen ab auf einen Singletrail. S1, also recht leicht zu fahren. 45 Minuten bis zum Pfitscher Joch. Sagt komoot. Verlass Dich nie auf komoot!!! Der Trail ist definitv nicht fahrbar. Felsbrocken, Stufen, es geht steil bergauf. Selbst routinierte MTBler mit leichten Bikes (also ohne Motor) dürften diese Strecke nicht in 45 Minuten bewältigen. Sie zu fahren, wenn es in dieser Richtung überhaupt geht, benötigt ein hohes technisches Können. Wir schieben. Drei Stunden. DREI STUNDEN!
Kleiner Trost: die letzten Kilometer zum Pfitscherjochhaus führen - nach einer kleinen zu durchfahrenden (oder -schiebenden) Furt auf einem immer noch steilen aber tatsächlich fahrbaren Schotterweg.
Am Pfitscherjochhaus angekommen stellen wir die Räder unten ab und laufen die steile Zufahrt hinauf. Oben gibt es dann eine zünftige Brotzeit mit verschiedenen Brotsorten, einem leckeren Käse, einer Kaminwurzen, einem dicken Stück luftgetrocknetem Schinken und Tomaten (vegetarisch kennen die hier nicht). Wir nehmen alles mit nach draußen und genießen den tollen Ausblick. Für einen Flachländer wie mich ist das hier schon etwas Besonderes.
Während wir noch genüsslich speisen, kommen die drei von heute morgen ebenfalls an. Sie stöhnen genauso wie wir. Ihre Tagesetappe ist zwar etwas kürzer als unsere, aber mit diesen Fahrrädern? Respekt! Ich werde mal wieder ganz demütig ob meiner eigenen Leistung. Aber auf die Leistung kommt es ja auch gar nicht so sehr an. Das Erleben der Landschaft, die Gespräche mit den Menschen, die Lust am Fahren und ein wenig an der individuellen Herausforderung, das ist es, was einen solchen Urlaub ausmacht. Zuhause haben viele gemeint, das sei doch kein Urlaub, keine Erholung. Doch, gerade. Auf keine andere Art komme ich so weit weg von dem, was mich zu Hause beschäftigt. Eine gößere Zufriedenheit als den Erfolg des Tages daran zu messen, dass ich meinen Weg gefunden habe, genug zu essen hatte, Menschen kennengelernt und für die Nacht eine Unterkunft gefunden habe, eine größere Zufriedenheit kann ich mir nicht vorstellen. Aber das ist sicher auch eine Frage des Typs. Oder?
Eine Weile fahren wir nun ganz gemütlich ins und durch das Tal. Erst hinter St. Jakob biegen wir rechts ab auf den nächsten Singletrail. Nicht ahnend, dass damit das nächste Drama beginnt. Okay, ein wenig Sorge macht sich schon breit. Steile Aufstiege zum Pfunderer Joch und Schiebepassagen (wenigstens wissen wir jetzt, dass die kommen) erwarten uns. Ob wir das schaffen?
Werden wir nicht. Schon nach zwei Kilometern erreichen wir wieder eine Bachquerung. Nur diesmal ist es keine Furt, sondern durch die vielen Regenfälle der vergangenen Tage ein echter Wildbach mit starker Strömung. Und zu allem Überfluss ergießen sich die Wassermassen direkt neben dem "Weg" gut fünf Meter in die Tiefe. Da müssen wir rüber. Oder besser gesagt, durch. Ich sogar zwei Mal. Denn natürlich fahre ich mutig vorweg um Gabi zu zeigen, dass es gar nicht so schlimm ist. Ist es aber doch. Gabi bekommt es mit echter Angst zu tun. Keine Chance, dass sie hinterherkommt. Also muss ich wieder zurück.
Die Alternative ist ein Umweg von 60km um den Berg herum. Auf Asphalt. Ein Bogen, der uns schon fast in Richtung Bozen führt. Aber da wollen wir erst in drei Tagen ankommen. Aber es hilft ja nichts. Wir sind übrigens so aufgeregt, dass wir nichtmal daran denken, Fotos machen.
In Stilfes finden wir glücklicherweise einen Bäcker, wo wir nicht nur Kaffee und Kuchen bekommen, sondern auch unsere Akkus aufladen können (also die von den Fahrrädern). Und wie wir das so sitzen, wer kommt da herein? Genau: die drei von heute morgen. Welch ein Zufall. Aber von hier aus werden unsere Wege sich trennen.
Am Ende des Tages sind wir gut 90km gefahren und 13 Stunden unterwegs gewesen. Die Fahrradakkus haben noch eine Reichweite von 4km. Der körpereigene Akku ist auf Null. So können wir die wunderschöne Auffahrt (wir haben wieder Schotter unter den Rädern) in der Abendsonne gar nicht richtig würdigen (Fotos machen muss Gabi natürlich trotzdem). Es ist schon nach 21:00 als wir auf der Rastnerhütte ankommen. Wir werden herzlichst begrüßt und gleich ins Restaurant geführt. Erstmal ein zünftiges Bier. Die Küche hat extra für uns noch Essen zurückbehalten. Lasagne oder Schnitzel fragt der Kellner? Nee, das war nur die Information: erst Lasagne und dann Schnitzel. Und Nachtisch gibt es natürlich auch noch. Als wir endlich unser Zimmer bezogen und uns bettfertig gemacht haben, ist es 23:00. Was für ein Tag!