Montag, 03.07.2017                                                                               der fünfte tag

Ist das schön, auszuschlafen und nichts drängt einen aufzustehen! Das Wetter ist warm und sonnig. Wir frühstücken in aller Ruhe und machen uns zu Fuß auf den Weg in die Stadt. Heute ist Bildung angesagt; kulturell, historisch und theologisch. Wittenberg, als Hauptstadt der Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum hat sich mächtig ins Zeug gelegt. Am Info-Point erstehen wir eine Tageskarte für die Weltausstellung und ich nebenbei ein neues Moleskine im Reformationsstyle. Das wird mir 2019 für die Notizen auf unserer großen Tour dienen. Dann soll es nämlich durch das Baltikum und Finnland hoch zum Nordkap gehen. Die Idee dabei: ich möchte gerne viele Kirchengemeinden besuchen und erleben, was Christ sein, bzw. evangelisch sein in anderen Ländern bedeutet. Aber natürlich reizen mich auch einfach Land und Leute. Zwei Monate sind dafür eingeplant - wenn nicht wieder etwas dazwischen kommt;)

 

Heute führt uns unser Weg als erstes zum Riesenrad.


So verschaffen wir uns einen Überblick über das schnuckelige Städtchen, das in diesem Jahr unzählige Angebote vorhält, die sich mit dem Leben Luthers und vor allem seiner Theologie befassen. Es gibt Ausstellungen, thematisch orientierte Zentren, Angebote für Jung und Alt.Man/frau könnte Tage hier verbringen. "Wie bekomme ich einen gnädigen Gott"?, das war nicht nur Luthers Lebensfrage. Der Glaube an die Strafen der Hölle versetzte viele Menschen in Angst und Schrecken, und die Kirche tat viel dazu, daraus Kapital zu schlagen; nicht nur machtpolitisch, sondern auch rein finanziell. Luthers Thesen waren da schon "echt hammermäßig";) Allein Christus (und nicht der Klerus), allein die Schrift (und nicht die Dekrete des Papstes), allein Gnade (und nicht der Ablasshandel) gereichen dem Menschen zum Glauben und somit zum Eintritt ins Paradies - etwas verkürzt gesagt (ich höre schon die "Theologen" zetern). Die Macht und Kapital der verfassten Kirche sind in Frage gestellt. Mir fällt eine Tagung ein, wo es um die Hauptamtlichen unserer Kirche ging. Meine These, "Kirche Jesu Christi, nicht einmal die verfasste evangelisch-lutherische Kirche braucht Hauptamtliche", wurde doch arg in Zweifel gezogen. Aber hat nicht Luther selbst, in dessen Tradition wir uns verstehen, vom Priestertum aller Glaubenden gepredigt? Was würde er wohl heute zur unserer evangelischen Kirche sagen?

Das absolute Highlight in Wittenberg ist das Panorama von Yared Asisi. Ein großer zylindrischer Bau (wie ein Gasometer) beherbergt ein Rundbild über mehrere Stockwerke zu Leben und Zeit Luthers. Irre viele Details sind da zu entdecken, während wir uns langsam in der Runde bewegen. In der Mitte steht ein großes Gerüst, das auf zwei weitere Ebenen führt. Zwischendurch wechseln Licht, Wetter und Geräusche. Faszinierend.

Auch die Ausstellung "Luther und die Avantgarde", in der zeitgenössische Kunst Themen aufgreift, die auch Luther beschäftigten, hält einige inspirierende Werke vor, eines sogar von Ai Wei Wei! Manche Exponate sind spannend, berührend, herausfordernd, mit manchen kann ich so überhaupt nichts anfangen. Kunst halt und mir fehlt sicher nur das nötige Verständnis;)

Zwischen all dem Schauen und Erleben suchen wir noch etwas zu Essen. In dieser von Menschen überfüllten Stadt ist es gar nicht so einfach, in irgendeinem Restaurant oder Imbiss einen Platz zu bekommen. Wir entscheiden uns für eine Pizzeria, die innen noch erstaunlich viele freie Tische hat. Bei dem Wetter sitzt man/frau am liebsten draußen. Nach zehn Minuten, in denen niemand vom Personal von uns Notiz genommen hat, gehen auch wir wieder raus und warten draußen auf zwei freie Plätze. Dort werden wir dann auch bedient, allerdings mit einer Sprach- und Schwunglosigkeit, die ihresgleichen sucht. Wir mutmaßen, dass der junge Kellner der Sohn der Familie ist, der in den Schulferien mithelfen muss und vermutlich deutlich interessantere Dinge wüsste, die er lieber tun würde, als den blöden Touris das Essen zu servieren.

 

Am frühen Abend sind wir zurück auf dem Campingplatz. Als Gabi die "Küchenkiste" öffnet, entfährt ihr ein Ruf der Begeisterung. Es wimmelt von Ameisen. Einen nicht unwesentlichen Teil des Frühen Abends verbringen wir nun damit, Gottes krabbelnde Geschöpfe aus unseren Habseligkeiten zu vertreiben.Nicht wenige, bezahlen das mit ihrem Leben. Aber bestimmt werden sie eine Stufe höher wiedergeboren;) Wir vdrputzen die vorhin eingekaufte Rohkost mit Brot und Käse verfeinert, gönnen uns noch etwas heiße Liebe, packen schon mal ein wenig und krabbeln in unsere Schlafsäcke - in der Hoffnung, dass wir die Einzigen sind, die dort krabbeln:) Morgen geht es nach Tschechien!