Um kurz nach 7:00 wache ich auf. Ich könnte jetzt aufstehen. Aber erstmal wecke ich die Frau neben mir. Da Gabi nun zuerst aufsteht, ist das Bad jetzt blockiert. Da kann ich noch eine halbe Stunde liegen bleiben. Gut gemacht, Torsten:))
Um 9:40 starten wir die Maschinen. Wir kurven endlos durch Rheinland-Pfalz, bis wir nach drei Stunden endlich den Rhein queren und ein Gasthaus finden, wo wir eine ausgiebige Mittagspause einlegen. Gabi hat ihre Tage und Kopfschmerzen. Das macht das Fahren für die anstrengend. Die Konzentration fehlt einfach.
(die Überschrift bezieht sich übrigens auf ein Kirchenlied aus den 60ern, "Hilf, Herr, meines Lebens". Die zweite Strophe haben wir Konfis zur "Frauenstrophe" erklärt. Böse uns sexistisch, ich weiß, aber wir waren jung, ...)
Am Ende des Tages sind wir acht Stunden unterwegs gewesen. Der Campingplatz in Bestwig bietet im Haupthaus auch Zimmer für nur 10,- pro Nase. Allerdings sehen die auch so aus. Egal, wir sind hart im Nehmen. Wir essen eine "Grillplatte" mit Salat und erdulden freundlich den Wirt, der offensichtlich froh ist, dass er mal jemanden zum Reden hat.
Die Müdigkeit treibt uns in die nicht gerade einladend wirkenden Betten. Morgen wollen wir rechtzeitig los, damit wir noch vor dem Mittagessen bei unserem Freund ankommen, der bis vor kurzem noch in Aurich gewohnt hat.
Tatsächlich ist das Frühstück fertig als wir nach unten in die Gaststube kommen. Wir haben bereits alle Sachen gepackt und satteln nach der morgendlichen Stärkung die Mopeds. Pünktlich um 8:00 fahren wir los. Es regnet mal wieder. Zweieinhalb Stunden werden wir bis Ostercappeln brauchen, wo wir unseren Freund besuchen wollen.
Er ist einer der ganz wichtigen Menschen in meinem Leben.
Gehört er doch zu den drei Personen, die mir maßgeblich geholfen haben, den Weg zurück nicht nur in die evangelische Kirche,sondern auch in eine Gemeinschaft von Christinnen und Christen zu finden. Ende der 90er nach einer sehr unschönen Geschichte in einer Kirchengemeinde, in der ich als Diakon arbeitete - mir blieb am Ende nur der Weg in
die Arbeitslosigkeit -, habe ich gute zehn Jahre keine Kirche mehr von innen gesehen. Wenn ich auch als Christ und Diakon weiter meinen Weg gegangen bin, in der evangelischen Kirche konnte ich mir das nicht vorstellen. Zu tief waren die Wunden. Bis ich mehr oder weniger durch Zufall in Aurich landete und diese Gemeinde kennen lernen durfte. Einen solch wertschätzenden Umgang miteinander hatte ich lange nicht mehr erlebt; eine Gemeinde mit viel Offenheit für das, was Menschen einbringen wollen und können. Und dann wurde tatsächlich die Stelle des Diakons frei. Für mich blieb es ein großes Wagnis, diesen Schritt zugehen. Inzwischen bin ich zehn Jahre dort und habe es keinen Tag bereut. Hier kann mensch arbeiten und leben!
Zehn Jahre hat mich auch der gute Freund begleitet, gestützt und unterstützt. Vor zwei Jahren ist er in Rente gegangen. Schon vorher zeichnete sich seine Krankheit ab. Und jetzt lebt er in einem Pflegeheim. Ein paar Mal haben wir telefoniert und jetzt endlich, auf dem Rückweg nach Aurich, sehen wir uns wieder. Ich erzähle aus der Kirchengemeinde. Wir unterhalten uns, über Belangloses, über die Zukunft - und übers Sterben. Nach einer guten Stunde wird es für unseren Freund Zeit, zum Mittagessen zu gehen. Ich ziehe im die Schuhe an und wir begleiten ihn noch zum Fahrstuhl, verabschieden uns herzlich und versprechen, bald wiederzukommen. Gedankenverloren steige ich draußen aufs Motorrad. Ich bin traurig. Das ging alles so schnell. Da sollte doch noch so viel Leben kommen. Und es macht mir angst. Am liebsten würde ich selbst sofort in Rente gehen, so lange ich noch all die Dinge tun kann, die ich gerne tun würde.
Als wir uns auf den Weg in den Norden machen, ahnen wir noch nicht, dass wir nur wenige Wochen ins Osnabrücker Land zurückehren werden, um unserem Freund an seinem Grab Lebewohl zu sagen.
Heute, wo ich dieses schreibe, wäre er 68 geworden.
Eine gute Stunde fahren wir, bis wir einen Autohof finden, wo wir tanken können und ein erstaunlich gutes, wie preiswertes Mittagessen bekommen. Heute ist die Mittagspause etwas schweigsamer als sonst.
Um 16:30 sind wir zu Hause. Gabi muss ein paar Tage arbeiten, bevor wir nächste Woche zur vierten Hochzeit dieses Monats nach Augsburg aufbrechen, dann allerdings mit dem Auto - geht schneller;)