die erste grosse tour - von Aurich nach Augsburg

Montag, 11.05.2015

Um 5:10 ist es mit dem Schlaf vorbei. Bin zu aufgeregt. Eine Kanne schwarzen Tee und den Rest Brot zum Frühstück. Ich kämpfe mit der kleinen Fotokamera; mit den "gut-und-günstig"-Batterien funktioniert sie nicht. Welche Geräte im Haus könnten zwei passende Batterien haben? Ich will doch unbedingt ein Foto vor der Abfahrt machen.

Für viele wäre das, was ich vorhabe, ein lockerer Wochenendausflug. Nicht der Rede wert. Für mich ist es ein großes Abenteuer. Zum ersten Mal begebe ich mit einem Motorrad auf eine so weite und lange Tour. Sie wird entscheiden, ob das was wird, mit dem "Motorrad-und-Zelt-Urlaub ".

Endlich, nachdem ich nahezu alle technischen Geräte im Haus ihrer Akkus beraubt habe, fallen aus der Fernbedienung des DVD-Players zwei passende und starten die Kamera. Das Abenteuer beginnt!


11:40, 20km vor Bielefeld - doch, das gibt es wirklich;) - gerade gab es eine Rumkugel-Pause (lecker). Inzwischen ist die Furcht dem Spaß gewichen. In Bielefeld wohnt meine Tochter, bei der ich mich zur Mittagspause angekündigt habe. Birthe hat Pizza vorbereitet. Manchmal ist es doch praktisch, wenn die Kinder über das Land verteilt wohnen.

Noch ein Kaffee, dann fahre ich weiter. Gutes Wetter, tolle Gegend. Ich genieße. Oh, ich habe Urlaub! Mich überschwemmt eine Welle der Dankbarkeit.

 

Im Bikertreff "Zündstoff" am Edersee lege ich 40km vor dem Campingplatz eine letzte Pause ein. Auf dem Klo muss ich feststellen, dass ich ein wohl noch unerfahrener Biker bin. Automaten für Kondome kenne ich ja, auch wenn ich sie noch nie gebraucht habe;). Aber die "Travel-Pussy", eine künstliche Vagina? Muss gestehen, das ist mir neu. Was der Biker so braucht!? Sorry, kein Bedarf. Bis morgen halte ich es noch aus:))

20:00, das Zelt steht. Ich habe geduscht und gegessen. Der Platz ist total ruhig, mein Zelt das einzige auf der Wiese, Motorrad und Helm sind von tausend Fliegen befreit.

Die Gaststätte am Platz hat den Charme eines Wartehäuschens, aber die Maultaschen waren okay. Nur auf die schlecht gemachte Countrymusic hätte ich gerne verzichtet.

Das war ein toller Tag. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so gut mit dem Fahren zurecht komme. Aber jetzt bin ich rechtschaffen müde. Noch ein wenig lesen und dann: "Gute Nacht!"

 

(was so fehlt: Zelthammer, Holzplatte als Unterlage für Seitenständer, Mikrofasertuch)

Dienstag, 12.05.2015

Vögel können ganz schön Lärm machen; die Nacht war etwas laut, aber angenehm. Alles hat funktioniert: die Isomatte, obwohl billig, das Kissen (edel), der Schlafsack war warm (na ja), das Zelt ist wirklich super.

Noch vor dem Frühstück habe ich alles verpackt. Mit der freundlichen Wirtin der Gaststätte habe ich gestern Abend vereinbart, um 7:00 zum Frühstück zu kommen. Na super! Da prangt ein handgeschriebener Zettel an der Tür: "Frühstück ab 9:00" Da will ich längst auf der Straße sein. Ich baue das Zelt ab und hoffe, der nächste Kaffee ist nicht allzu weit.

Keine Ahnung, wo ich jetzt bin. Aus dem Cafe´ist eine Tankstelle geworden. Aber he! Ein dick belegtes Brötchen und ein halber Liter Kaffee für vier Euro! Und beides frisch und lecker. Das Leben meint es mal wieder gut mit mir!

Um 12:40 mache ich Mittag auf "Kempes Autohof" südlich von Ochsenfurt. Ich bin so gut in der Zeit, dass ich die Routenpräferenz meines Navis auf "kurvenreiche Strecke" ändere. Eine Stunde länger werde ich dadurch brauchen. Ich hatte heute schon echt geile kurvige Strecken; kann ja nur besser werden, denke ich mir. Und die Sonne lächelt so freundlich vom Himmel, dass ich die Jacke von der Membran befreien kann. Das Leben ist schön!

 

Um 18:00 bin ich in Augsburg bei meiner Freundin. Okay, die Idee mit der "kurvenreichen Strecke" war suboptimal. Manchmal tolle kleine Straßen, aber meist unsinnige Routen nur um ein paar Kurven mehr zu fahren? Das nächste Mal plane ich die Strecke lieber konkreter mit guten Straßenkarten. Kurven hat es hier auch so genug.

 

Mir kommt eine Idee für den Rückweg: ich fahre über Ründeroth und Witten. In Witten habe ich meine Ausbildung zum Diakon gemacht. Der kleine Ort Ründeroth im Oberbergischen war die Wirkungsstätte meiner ersten Berufsjahre. Noch ahne ich nicht, dass ich dort auf ein paar Menschen treffen werde, die sich nach fast dreißig Jahren noch an mich erinnern.

Mittwoch, 13.05.2015

Heute ist Ruhetag. Diverse Reinigungsaktionen an Mensch und Maschine werden vorgenommen und die Planung der morgigen Tagestour stehen an. Wir wollen zum Motorradgottesdienst nach Kempten und anschließend noch über's Hahntennjoch. Schon wieder eine Premiere: zu zweit auf einem Motorrad in die Alpen. Wir sind ganz schön mutig;) Vor allem meine Freundin, die sich einem doch recht unerfahrenen Biker anvertraut, den sie noch wenig kennt. Hoffentlich geht das gut;)

(ich schreibe diesen Reisebericht, sie hat sich nicht von mir getrennt; muss wohl gut gegangen sein)  :))

Donnerstag, 14.05.2015

7:00! Aufstehen! Eh, ich habe Urlaub! Um 9:00 wollen wir los, nach Kempten zum Motorradgottesdienst. Wir fahren los, und der Regen legt auch los. Die neuen Klamotten müssen sich zum ersten Mal beweisen. Klappt. Waren ja auch teuer genug.

In Kempten fallen wir mit unserem Auricher Kennzeichen natürlich auf und auch die besondere Erwähnung im Gottesdienst bleibt nicht aus. Nach dem Gottesdienst fahren wir nach Weißenbach. Laut Internet gibt es dort einen Bikertreff. Die Strecke ist toll, nur der "Bikerstadl" erweist sich als lange geschlossene Schutthalde. Schade.

Übers Hahntennjoch machen wir uns auf zum Schloss Neuschwanstein. Auch das ist eher ein Reinfall. Von nahem sieht der Bau ganz schön schmuddelig aus. Die Scharen von Touris machen es auch nicht besser. Und zu alldem produziere ich auch noch den ersten Umfaller: Wendemanöver, wenig Platz, seitlich geht es schräg nach unten. Touris laufen in den Weg, bremsen, plumps! :( Aber nix passiert. Wir fallen so langsam, dass es nicht mal eine Schramme gibt. Wir machen ein obligatorisches Foto und fahren zum Forggensee. Der ist nur ein paar Kilometer entfernt und lädt zur sündhaft teuren Mittagspause. Bayern ist mindestens so teuer wie Norwegen!

Inzwischen ist es 19:30 und wir sind nach gut 320 gefahrenen Kilometern wieder "Zuhause". Dazwischen lagen noch viele schöne Straßen, Kurven ohne Ende, Sonnenschein satt, eine Kaffeepause mit Kuchen zu echten "Ammerseepreisen" - Bayern ist definitiv teurer als Norwegen!!!

Jetzt sind wir platt. Zeit, schlafen zu gehen.

Freitag, 15.05.2015

Noch ein Ruhetag. Gabi muss arbeiten und ich plane die Rückfahrt nach Aurich. Morgen will ich bis in Oberbergische kommen. Dort habe ich 1985 meine erste Stelle als Diakon angetreten. Über Witten, dort habe ich meine Ausbildung gemacht, geht es dann zum Zwischenstopp bei meinem Sohn in Münster. Ganz in der Nähe, in Steinfurt habe ich zehn Jahre gelebt und gearbeitet, bevor es mich wieder in den Norden zog.

Samstag, 16.05.2015

Um 10:45 fahre ich nach einem gemütlichen Frühstück in Augsburg los. Zunächst will ich ein Stück über die Autobahn. Die Erfahrung muss ich ja auch mal machen;)

Bis zur Mittagspause ist es dann doch 13:00 geworden. Dafür habe ich die erste Fahrt mit bis zu 160km/h hinter mir und der ersten "ich-schlängle-mich-durch-den-Stau-Erfahrung". Jetzt stehe ich an der Tanke und verspeise ein unerwartet gut essbares Käse-Baguette. Blöd, dass der Kaffeeautomat defekt ist. Also fahre ich früher weiter als gedacht.

In Heidelberg finde ich so recht keinen Parkplatz. Aber so ein richtiges Ziel habe ich dort auch nicht. Ein Foto meines Vaters zeigt ihn in jungen Jahren auf einer Brücke in Heidelberg. Ich wollte einfach gerne mal dort entlang fahren. Und dann fahre ich schon wieder viel zu lange am Stück. In Limburg gönne ich mir ein Bananensplit. Danach ist mir kalt. Die Sonne hat sich verzogen. Da hilft auch der große Cappuccino nicht mehr. Egal.

Ich schwinge mich auf den Bock und starte ins Oberbergische. Es kommt wie es kommen muss: Regen. Damals prägten wir den Spruch: "der Sommer fiel dieses Jahr auf einen Donnerstag." Es regnet immer mehr. Ich habe keine Lust auf Zelt. Also fahre ich das Bikerhotel "Am Mühlenberg" in Waldbröl an.

Oh, hier stehen aber schon viele Motorräder und Autos! Hoffentlich haben die noch ein Bett für mich? Haben sie! Das Leben meint es schon wieder gut mit mir! Ich frage gar nicht erst, was es kostet. Bei dem Wetter Zelt aufbauen? Hiermit bekenne ich mich als Soft-Camper.

Das Champignonrahmschnitzel zum Abendessen ist gut. Gut, dass mein Vegetarier ab und an Urlaub hat, hier wäre er verhungert; oder hätte sich mit den Pommes begnügen müssen, die mit der Hälfte des Salzes vielleicht sogar geschmeckt hätten. Der Koch war wohl verliebt?

Nun sitze ich in meinem Zimmer vor der Flimmerkiste. Ich bin völlig erledigt.

Gute, trockene Nacht!

 

By the way: Übernachtung und Frühstück €42,- In Bayern hätte es das doppelte gekostet:)


Sonntag, 17.05.2015

Und wärmer als im Zelt war es auch!:)

 

Nach einem völlig unvegetarischen Frühstück geht es weiter. Zippe ich jetzt noch das Thermofutter in die Jacke? Nee, ich lasse es drauf ankommen.

Richtige Entscheidung! Kaum fahre ich los, lugt die Sonne vorsichtig hinter den Wolken hervor. Es wird immer wärmer.

Auf dem Weg nach Ründeroth fällt mir auf, es ist Sonntag und laut Navi komme ich kurz vor 10:00 dort an. Ich könnte einfach in den Gottesdienst gehen. Als ich Punkt 10:00 die Kirche betrete, falle ich auf. Der Jugendreferent, den ich zu diesem Zeitpunkt noch für den Pastoren halte, ist schon bei der Predigt. Die fangen hier wohl früher an? Ups!

Nach dem Gottesdienst spricht mich draußen ein älterer Herr an, dem das Auricher Kennzeichen an meinem Motorrad aufgefallen ist. Wir hätten uns nicht wiedererkannt. Er war 1985, als ich hier meinen Dienst antrat, Vorsitzender des CVJM. Ich werde eingeladen, mit ins Gemeindehaus zum Kirchenkaffee zu kommen. Das bringt zwar meinen Zeitplan ein wenig durcheinander, aber dafür begegne ich ein paar Menschen, die sich tatsächlich noch an mich erinnern. "Bei Dir war ich als Kind in der Jungschar", strahlt eine junge Frau, inzwischen selbst Mutter. Auch der Jugendgottes-dienst, den ich damals mit ein paar Jugendlichen entwickelt hatte, ist noch im Gedächtnis. Das "Wort zum Montag" hat also einen bleibenden Eindruck hinterlassen - stolz!!!:), wie auch mein damaliges Äußeres: Latzhosen, lange Haare, Vollbart - peinlich:)

Es wird 12:00 bis ich weiterkomme. Die nächste Station ist Witten an der Ruhr.


Mittagessen, wenn man es denn so nennen will, gibt es irgendwo zwischen Dortmund und Münster. Ein alkoholfreies Weizenbier, ein Körnerbrötchen und zwei Geflügelwürstchen in Blätterteig. Vegetarisch ist unterwegs manchmal echt schwierig;) Aber was soll's; besser und billiger als bei Mc Doof allemal.

 

Gegen 15:00 bin ich in Münster bei meinem Sohn. Die Bude ist voll; vierer-WG und Besuch. Wir trinken Kaffee, Sören hat sogar Kekse besorgt;) Ein angeregtes Gespräch später bin ich wieder auf der Straße. Mein Navi sagt mir die Ankunft in Aurich um 19:48 voraus. Ich schaffe 19:15:)

Langsam bekomme ich Routine. Zwei bis drei Stunden am Stück zu fahren, geht ganz gut. Natürlich merke ich diverse Muskeln, vor allem die Halsmuskulatur ist verspannt. Das ist wohl dem heftigen ostfriesischen Wind geschuldet, der Geradeausfahrt in Schräglage erlaubt! :)) Um 20:00 sind die meisten Sachen schon wieder weggeräumt. Der erste Motorradurlaub ist zu Ende.

 

Fazit? Als ich losfuhr, hatte ich durchaus Angst, ob ich das schaffe. Die ist aber schnell der Begeisterung gewichen. Urlaub, reisen mit dem Motorrad, ist mein Ding. Und der Urlaub beginnt, wie auch schon mit dem Campingbus, mit dem Verlassen der Haustür.

Fahrzeiten um die zwei Stunden zwischen den Pausen;) sind optimal. Tagesetappen von 400km sind aber eigentlich zu lang, wenn ich zwischendurch etwas anschauen oder erkunden will. Dann reichen sicher so um die 200km am Tag.

 

Auf jeden Fall: das war nicht der letzte Urlaub auf zwei Rädern!

Hier habe ich meine Ausbildung zum Diakon gemacht, meinen Zivildienst geleistet und ehrenamtlich in der Jugendarbeit der Johanneskirche mitgearbeitet. Das war eine echt intensive Zeit. Als Ehrenamtlicher in einem CVJM, der ziemlich evangelikal ausgerichtet war - "mein Jesus und ich" - als Student in einer Diakonenschule, die eine kritische Theologie pflegte und ihre Schüler und Schülerinnen eher sozial-politisch prägte. Spannende Mischung. Ich profitiere bis heute davon.

Das neue Gemeindehaus, direkt neben der Kirche, ist natürlich geschlossen. Und Witten ist nicht gerade eine aufregende Stadt. Ich fahre zügig weiter.